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heiten die äußerste Zurückhaltung geboten; dagegen mahnen die Verhältnisse dringend, in innerer Sammlung an seiner Erstarkung zu arbeiten, alle Kräfte auf die Einigung seiner Stämme zu einem Verfassungsstaate zu verwenden und sich auf die Stunde vorzubereiten. wo es für seine eigenen Interessen einen entscheidenden Gang, einen Gang auf Tod und Leben wagen muß. Gewiß wird der Gegner in diesem Kampfe Nußland, aber schwerlich Frankreich der Verbündete sein.
Diese Stunde wird aber schwerlich eher eintreten, als bis auch die europäische Gesammtpolitik von dem inneren Widerspruche sich befreit haben wird, der sie unausgesetzt in falsche Bahnen drängt. Man sieht die größte Gefahr für das europäische Gleichgewicht in einer Verbindung Frankreichs und Rußlands. Jede Spannung zwischen diesen beiden Mächten wird daher als ein für die Sicherheit Europas günstiges Ereigniß angesehen und von der europäischen Diplomatie gesteigert. Offenbar aber verleiht diese Politik, indem sie auf die eine der beiden Mächte drückt, der andern unvermeidlich ein bedenkliches Ucber- gewicht und macht sie zum Führer der europäischen Action. Wie Rußland seine dominirende Stellung in Europa lange Zeit hindurch der Furcht vor Frankreich verdankt hat, so deutet Frankreich gegenwärtig die Furcht vor Rußland aus, um seinerseits ganz Europa seinem Willen zu unterwerfen und Rußland mit Hilfe Europas in einen Zustand zu versetzen, in dem es unbedingt sich zu Frankreichs Verfügung stellen wird, wenn dies auf dem Punkt angelangt ist, Pläne zu verfolgen, in denen es England zum Gegner haben muß und daher des Beistandes Rußlands bedarf. Eine Politik, die auf die übermäßige Schwächung des einen der beiden Staaten ausgeht, ist daher sehr bedenklich, weil sie dem andern stets ein drückendes Ucbergewicht verschafft; sie ist ohne Aussicht auf Erfolg, weil sie die Gefahr der Vereinigung beider, die sie verhindern will, nur näher bringt. Es kommt daher weniger darauf an, die beiden Staaten von einander zu trennen, als vielmehr darauf, Zustände vorzubereiten, in denen Europa ihrer vereinigten Macht gewachsen ist. Dies war so lange unmöglich, als Oestreichs erste Sorge war, in Italien seine Oberherrschaft aufrecht zu erhalten und so lange es in jedem Conflicte fürchten mußte, daß es in den Ebenen der Lombardei seine Existenz gegen eine Allianz Frankreichs und der Revolution zu vertheidigen haben würde. Erst die Gründung des Königreichs Italien hat das mittlere Europa fähig gemacht, im Vereine mit England selbständig den beiden von Osten und Westen aus den Continent bedrohenden Mächten gegenüberzutreten. Der Kamps des mittleren Europa gegen die vereinigte Macht Rußlands und Frankreichs ist unvermeidlich, wenn er sich auch vielleicht noch auf Jahre hinausschieben läßt, er muß ausbrechen, wenn die orientalische Frage zum Austrag kommt. Für seinen Ausgang wird aber entscheidend sein, ob in dieser größten europäischen Krisis, zu der die bisherigen Zerrüttungen
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