Beitrag 
Die althelenistischen Nationalfeste. 1.
Seite
91
Einzelbild herunterladen
 

!)1

traten sie. beide Arme vorstreckend, einander entgegen, Hals und Kopf soweit als möglich zurückbeugend. Wie beim Ringkampfe waren hier Behendigkeit, Vor­sicht und Schlauheit Haupterfordernisse zum Siege. Besonders hütete sich der erfahrene Faustkämpfer, seine Kraft durch unbesonnenes Anstürmen zu ver­schwenden, hielt sich lieber anfangs in gedeckter Stellung und suchte durch Pa­riren und Ausbcugen den Gegner zu ermüden. Der berühmte Redner Dion Chrysostomos hielt dem unter Titus lebenden Faustkämpfer Mclankomas zwei Lobreden, worin es unter Anderm heißt, daß Melankomas zwei Tage lang, ohne zu ermüden, mit ausgelegten Armen ausharren konnte, und daß er niemals einen Schlag erhalten habe und deshalb am ganzen Körper un­versehrt gewesen sei. Die Schläge, welche die Agonisten, auf die Zehen emporgerichtet, mit der rechten und linken Hand auszutheilen pflegten, waren größtentheils nach dem Oberkörper gerichtet, so daß die Schläfe, Ohren, Wan­gen, die Nase und das Kinn die hauptsächlichsten Zielscheiben bildeten. Der Skythe Anacharsis sagt darum bei Lukian, als er zum ersten Male die gym­nastischen Uebungen sieht:Und jener Unglückliche scheint mir die Zähne aus­spucken zu wollen; so mit Blut und Sand ist sein Mund gefüllt, nachdem er mit der Faust einen Schlag aus die Wange erhalten hat." Auch Seneka meint, derjenige Athlet könne keinen Muth haben, dessen Zähne nicht schon unter der Faust gekracht hätten. Aelian erzählt, daß ein Athlet dadurch seinen Partner verblüfft und bezwungen habe, daß er die ihm eingeschlagenen Zähne muthig hinabschluckte! Auch die Ohren kamen oft sehr schlimm bei diesem Kampfe weg und geschlitzte und zerklopfte Ohren gehören selbst zu den Merk­malen der Athletenstatucn. Das Umschlingen, Zerren und Ausschlagen mit den Füßen war beim Faustkampfe verboten, sowie jeder absichtliche Todtschlag. Dennoch kam dieser vor, besonders wenn die Gegner bei längerer Dauer des Kampfes übereinkamen, vom Pariren abzusehen und die Schläge hinzunehmen, wie sie sielen. So machten einst in Nemea die beiden Faustkämpfer Damoxe- nos und Kreugas aus, daß Einer um den Andern einen Schlag aushalten sollte. Kreugas schmetterte nun seine Faust zuerst auf des Gegners Kopf. Damoxcnos aber hieß den Kreugas den Arm emporheben und fübrte dann mit ausgereckten Fingern einen solchen Hieb in dessen angespannte Weiche, daß sie zerriß und die Eingeweide heraussielen. Die Argiver krönten hierauf den todten Kreugas und verwiesen den Damoxenos von Nemea. Noch tragischer ist. was PausaniaS über Kleomedes von Astypalaea erzählt. Dieser hatte den Epidaurier Jtkos bei den olympischen Spielen getödtet, und die Kampfrichter sprachen ihm wegen Verletzung der Gesetze den Sieg ab. Darüber verlor er den Verstand, kehrte in seine Heimath zurück, stellte sich an ein Schulgebäude, in welchem gerade gegen sechzig Knaben unterrichtet wurden, hob. wie Simson, die Säulen des Daches in die Höhe und begrub die Unschuldigen unter den

12 *