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Die Diaspora der Juden.
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nige, Daniel Hachassid, ist zugleich Rabbiner, ein Riese von Gestalt, aber mild von Gemüth. Sein Bethaus ist so reich ausgestattet, daß es alle Schätze der Mohammedaner und Christen übertrifft, sein Palast voll Perlen und Edelsteine. Er besitzt einen ungeheuern Karfunkel, mit dem er jeden Sabbat, weil die Ju­den dann kein Feuer anzünden dürfen, sein Schloß beleuchtet. Sein Land hat pechschwarzen üppigen Boden, in welchem Weizen und Oel gedeihen." ,

Wir bemerken hierzu Folgendes: Diese Erzählung ist eine Mosaik aus allerlei ältern und neuern Fabeln, einigen mißverstandenen Thatsachen und viel tendenziöser Zuthat, die bei jüdischen Sagen niemals fehlt. Der Kern der­selben scheint im 4. Buch Esra, Cap. 13, 41 ff. zu suchen, wo erzählt wird, daß die von Salmanassar weggeführten Juden über den von Gott ihretwegen im Strömen gehemmten Euphrat gezogen und nach anderthalbjähriger Wanderung in das Land Arzareth.gelangt seien, wo sie noch wohnten, daran reiht sich die mittelalterliche Sage Vom Priester Johannes, der hier in ein Land Prister- Jan verwandelt ist. Veranlassung zu dieser Sage gab vermuthlich das tata­rische- Fürstengcschlecht der Wcmg-Chan, welches durch die sebr weit nach Ostasien vorgedrungnen Nestoriancr zu Ansang des elften Jahrbunderts zum Christen­thum bekehrt und dann im Abenolande zu einer mythischen Person wurde, in -der man ein Ideal der vereinigten priesterlichen und königlichen Gewalt als eine Ueberbietung des Papstthums bewunderte. Die Wang-Chan (jedenfalls eine falsche Bezeichnung, da Wang und Chan beides Fürst bedeutet) herrschten über den Stamm der Mcrditcn, und gingen durch Dschingiskhan, der aus dem verwandten Stamm der Maititcn entsprossen, unter. Im 15. Jcchrbundert lebte die immer mehr verblaßte Sage infolge von Entdeckungsreisen wieder auf. Indeß verlegte man jetzt den Sitz jenes Pricsterkönigs nach Indien, we>l sich inzwischen herausgestellt hatte, daß ein solcher m Hochasicn nicht mehr existirte. Namentlich die Portugiesen forschten eifrig nach deml^Wte -lo-ro'«. Unter Anderm wurde, als sie durch eine Gesandtschaft des Negerstaats Benin erfah­ren hatten, daß zwanzig Monatsreisen hinter diesem ein mächtiger chrlstircher König Namens Ogan6 (das verstümmelte Johannes) herrsche, 1486 unter Bartolommeo Diaz eine Expedition ausgerüstet, um an der afrikanischen West­küste Erkundigungen einzuziehen, während Per» de Covilha über Aegyptcn nach der Ostküste Afrikas vorzudringen suchte, um Gewißheit zu erlangen, ob das Reich des Priesters Johannes etwa hier sei und ob es mit Indien zusammen­hänge. Covilha traf in Habcsch wirklich einen christlichen Staat und als Ober­haupt desselben wirklich einen Fürsten/der zugleich die höchste Gewalt über die Kirche ausübte*), womit die Sage endlich in gewissem Maß ihre Verwirklichung

") Wie weit dies ging, sehen wir daraus, das, ein Ncgusch (Kaiser) von Habesch einst einem Aliuna (obersten Geistlichen, Patriarchen), der ihm in geistlichen Dingen den Gehorsam