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Lord Byron :
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seines eignen Pfades zog, der niemals schrieb:g. Zilettar 1s temins es pleds." Das Wunderbarste blieb die Sicherheit und Fruchtbarkeit seiner Dich­terkraft. Wie Mirabeau, ein verwandter Geist, wenn er die Tribüne betrat, die Gemeinbeit seines privaten Lebens hinter sich ließ, so war Byron ein an­derer, ein reinerer Mensch, wenn die Muse ihm nahte. Einige seiner schönsten undfriedlichsten Gedichte, die hebräischen Melvdieen und Parisina. schrieb er in den Tagen des bittersten Kummers, da sein Haus zusammen- und der Grimm seines Landes über ihn hereinbrach! Unsre Väter sollen sich dessen nicht schämen, daß, weit über die jungdeutschen Kreise hinaus, dieser Dichter von ihnen ver­göttert ward. In manchem ehrwürdig-langweiligen Compendium eines gelehr­ten deutschen Professors aus alten Tagen überrascht uns noch inmitten sta­tistischer Notizen ein Citat aus Byron. Wir verstehen es gar nicht, das deutsche Geschlecht der zwanziger und dreißiger Jahre, wenn wir Lord Byron nicht kennen. Man muß die erstickende Luft jener unseligen Tage der heiligen Allianz selber geathmet, man muß die Gewaltigen der Zeit auf Schritt und Tritt ihres nichtigen Daseins verfolgt haben, wie sie auf dem veroncser Congresse ihren leeren Freuden nachgingen, derweil ihre Henker das Glück eines großen Volkes vernichteten, ihre Schreiber in scheinheiligen Manifesten den Nationen Weisheit und Tugend predigten^ Man muß sich erinnern, welche ohnmächtige und vlasirte Sinnlichkeit an jenen frommen Höfen herrschte, mit denen verglichen sogar die Welt Augusts des Starken als ein Geschlecht naiver, naturwüchsiger Kraftmenschen erscheint. Nur dann wird man ermessen, wie die Völker auf­athmeten bei den Klängen von Byrons Dichtung. Endlich ein Ausbruch star­ker Leidenschaft von einem Manne, der mit all seinen Sünden reiner, wahr­haftiger war als die gleißnerische Macht; endlich ein Hauch der Freiheit inmit­ten der geknechteten Welt!

In unseren Literaturgeschichten kehrt unwidersprochen die Fabel wieder, daß Byron der erste sei unter den literarischcn Stürmern und Drängern, deren Mittelpunkt später das junge Deutschland bildete. . Aber obgleich Byron aller­dings der europäischen Kunst zuerst die revolutionäre Richtung gegen die No­mantik gab, so war ihm doch Vieles eigen, was ihn unterschied von seinen Nachfolgern. Er überragte nicht nur sie Alle H. Heine allein ausgenommen durch schöpferische Kraft, Witz, Menschenverstand und den von Goethe ihm nachgerühmtenscharfen Blick die Welt zu schauen", jene sichere Weltkenntniß, die seinen unerfahrenen Jüngern gänzlich mangelte. Auch den guten künst­lerischen Ueberlieferungen der alten Zeit stand er weit näher. Sehr lose gefügt freilich war der Bau seiner Gedichte, aber er schrieb doch in Versen, in Versen voll des lautersten Wohlklangs, und schon diese Form bewahrte ihn vor jener gänzlichen Verwilderung, jenem banausischen, die nackte Prosa mit poetischen Flittern roh durcheinanderwerfenden Journalistenstile, worein das junge Deutsch-