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flammen. Um die Politik der Würzburger richtig zu beurtheilen, muß man stets im Auge behalten, daß sie deshalb besonders ihren Halt an Oestreich suchen, weil sie von der Unausführbarkeit eines jeden in Gemeinschaft mit Oestreich unternommenen Neformversuches von vorn herein überzeugt find, Sie sind östreichisch, gerade weil sie wissen, daß Oestreich von einer staatsrechtlichen engeren Gemeinschaft mit Deutschland durch eine unausfüllbare Kluft getrennt ist.
Um so auffallender wäre es, wenn man es im kleindeutschen Lager vergäße und aus Mißstimmung über die gegenwärtige Lage Preußens Oestreich aus den Schild erhöbe. Oder ist etwa das thatsächliche Verhältniß, auf dem der kleindeutsche Gedanke begründet ist, durch die augenblickliche Lähmung Preußens verändert worden? oder durch die Fortschritte der constitutionellen Entwickelung Oestreichs? Wir geben zu, daß das Fortschreiten Oestreichs, wenn es auch noch keineswegs völlig gesichert ist, doch zu Hoffnungen berechtigt, sind aber gerade überzeugt, daß, je kräftiger das Verfassungsleben in Oestreich aufblüht, um so eigenartiger sich auch die Gcsammtpolitik des Staates entwickeln wird. Was Preußen Deutschland näher bringt, eben das entfernt Oestreich von Deutschland. Es wäre doch eine wunderbare Erscheinung, wenn Oestreich in dem Augenblicke, wo es seine verschiedenen Nationen der Idee des Staates zu unterwerfen sich abmüht, in Deutschland als Vertreter und Vorkämpfer des Nationalitätsprincips aufträte.
Deutschland strebt nach, einer staatlichen Centralisation, zu der die Gemeinsamkeit der geistigen, wieder materiellen Interessen es befähigt. Oestreich müht sich ab, seinen bunten Völkercomplex zu einem Staate zu vereinigen. Die deutsche Staatengruppe, wie die östreichische Völkergruppe können ihr Ziel nur erreichen, wenn jeder Theil den andern ungestört an seinem Werke arbeiten läßt. Die größte Hemmung für beide wäre es, wenn die sogenannten Reformideen sich verwirklichen sollten. Gesetzt, es gelänge die Trias ins Werk, zu setzen (und bei aller Abneigung gegen diese Form der Consolidirung müssen wir doch zugestehen, daß die Trias wirklich eine Idee ist. die einzige, die von großdeutscher Seite aufgestellt werden kann), was würden die Folgen sein? Die Coalition der Mittelstaaten würde unzweifelhaft zu jeder Zeit auf Seite der schwächern Großmacht stehen; sie würde, nachdem sie Oestreich emporgehoben, sofort im Anschluß an Preußen einen Schutz gegen den übermächtig gewordenen Kaiserstaat suchen. Vor Allem aber würde sie dem Staate oppo- niren, dem die Verhältnisse gerade ein actives Eingreifen in europäische Fragen aufnöthigten. Die Einführung der Trias wäre die förmliche Neutralitätserklärung Oestreichs. Preußens und Deutschlands.
Daß die beiden Großmächte auf die Dauer eine solche Stellung nicht würden ertragen können, ist klar. Sie würden über die Mittelstaaten hinweg