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eine noch die andere der beiden Großmächte über sich anerkennen. Ob Oestreich bereits ein ernsthaft gemeintes Reformproject formulirt hat, wir wissen es nicht; davon aber sind wir überzeugt/ daß jede den Interessen Oestreichs entsprechende Reform des Bundes zuerst den stillen und geheimen, bald aber auch den lauten und offenen Widerstand der Würzburger Regierungen hervorrufen würde.
Auf keinem Gebiete aber tritt der rein negative Charakter der gemeinsamen Bestrebungen Oestreichs und der Würzburger klarer hervor, als auf dem der materiellen Interessen: auf keinem Gebiete aber auch droht der Fanatismus des Regieren« die Wohlfahrt Deutschlands so ernstlich zu gefädrden, als auf diesem. Denn es läßt sich Wohl nickt bezweifeln, daß ein TKeil der Würzburger Regierungen (erfreulich ist es wenigstens, daß nicht alle Mitglieder der Koalition in dieser Angelegenheit ihre reellen Interessen einer destructiven Tendenzpolitik aufzuopfern geneigt sind) seinen Widerstand gegen den preußischfranzösischen Handelsvertrag fortsetzen wird, auf die Gefahr bin, den Zollverein zu sprengen. Ja es ist wohl als sicher anzunehmen, daß nicht die Regierungen, wohl aber die Fanatiker der großdeutschen Partei, dem Eintritt dieses Ereignisses mit einer gewissen Befriedigung entgegensehen, da ja in der That der Zollverein der schärfste Protest gegen die Berechtigung und die Lebensfähigkeit der großdeutschen Idee ist. Er ,st unter der Leitung Preußens, obne Oestreich, ja gegen den Wunsch Oestreichs zu Staude gekommen. Er ist das Resultat einer freien Vereinbarung Preußens mit der Mehrzahl der übrigen Staaten. Ein Fortvegetiren des Zollvereins auf den bisherigen Grundlagen würde man sich haben gefallen lassen; aber die Entschiedenheit, mit der Preußen kurz vor dem Ablauf der gegenwärtigen Zollvereinsperiodc den einzig möglichen Weg einschlug, dem zu erneuenden Verein eine den gegenwärtigen wirthschaftlichen Bedürfnissen entsprechende materielle Grundlage zu geben, erbitterte. Die Erbitterung sprach sich um so leidenschaftlicher aus, da man Preußen in keiner Weise begründete Vorwürfe machen konnte, als ob es seine Verbündeten habe tyrannisiren wollen. Die Versassung des Zollvereins ist der Art, daß sie nur eine sprungweise Entwickelung der deutschen Handelspolitik zuläßt! jede Erneuerung des Vereins nach Ablauf der vertragsmäßigen Dauer desselben, während welcher die Entwickelung meist ruht, vollzieht sich auf Grund einer erneuten Ausgleichung der Interessen. Die Handelspolitik Deutschlands schreitet auf dem Wege periodischer Krisen fort. Hierin liegt aber die große Gefahr, daß der Verein der völligen Stagnation verfällt. Denn die Partei des Fortschrittes, obschon sie die bei weitem überwiegende ist, wird nur allzusehr geneigt sein, den Forderungen des engherzigsten Particularintercsses die ungebührlichsten Concessionen zu machen, um nur die Existenz des Vereins nicht zu gefährden. So ist die Verfassung des Vereins, die einst nothwendig war, um die Interessen der minder entwickelten Industrie gegen die der weiter fort-