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der Möglichkeit. Aber selbst die fruchtbarste Phantasie wird nicht im Stande sein, sich ein Oestreich vorzustellen, welches seine Politik von Einflüssen, die außer seinen Grenzen liegen, abhängig machen dürfte, mögen diese Einflüsse nun von einer Volksvertretung am Bunde ausgehen oder von einer verstärkten Centralgewalt, ohne die ja eine Volksvertretung gar nicht denkbar ist.
Oestreichs Verhältniß zu Deutschland ist bisher wesentlich auf diplomatischem Fuße geordnet gewesen. Seine hervorragende Geltung im Bunde beruhte weniger auf seinem Präsidium am Bundestage, als auf der Bedeutung, die es als eine der ersten europäischen Mächte beanspruchen konnte. Daß diese Stellung ihre Schwächen hatte, ist nicht zu läugnen. Oestreich hat weder die handelspolitische Hegemonie Preußens wirksam bekämpfen, noch den Bund in allen Fällen seinen Zwecken dienstbar machen könne». Es hat eben seiner Zeit die Folgen tragen müssen, welche die dualistische Spaltung Deutschlands bald über die eine, bald über die andere der beiden Großmächte unausbleiblich verhängt. Alle diese Schwächen, die denn doch nur gelegentlich hervortraten, wurden aber durch den Vortheil aufgewogen, daß seine Stellung zu Deutschland 'ihm weder ein Opfer auferlegte, noch es in seiner freien Bewegung hinderte, und ihm dabei doch in allen europäischen Fragen, (wir nehmen den italienischen Krieg nicht aus) eine gewisse Deckung gewährte. Wenn Oestreich nun auf die Vortheile einer freien Bewegung, die ihm das lockere Band des Bundes gestattet, verzichten soll, so kann es dies nur um den Preis der unbedingtesten Hegemonie. Es ist in dieser Beziehung völlig gleichartig, ob es mit seinen sämmtlichen Besitzungen oder nur mit seinen deutschen Landestheilen in den neu zu errichtenden Bund eintritt. Soll es etwa für jeden der beiden Theile, den deutschen und den außerdeutschen, eine besondere Politik treiben, für den einen Theil z. B. sein Allianzsystem sich von Frankfurt auferlegen lassen, für den andern Theil seine europäischen Interessen ausschließlich zu Rathe ziehn? Die Frage wegen des Gesammteintritts Oestreichs hat ihre große Bedeutung bei der gegenwärtigen Organisation des Bundes; sie wird für Oestreich und Deutschland bedeutungslos, sobald der Bund sich in der Weise gestaltet, daß er eine selbständige deutsche Politik verfolgen kann. Und wenn Oestreich nur mit einem einzigen Dorfe in einen derartig umgestalteten Bund tritt, so wird die Folge doch immer die sein, daß es entweder für die Gesammtheit seiner Staaten sich unbedingt der Bundespolitik unterwirft, oder, wenn es stark genug ist, ebenso unbedingt den Bund seiner Politik unterwirft. Ist es nun aber denkbar, daß die Urheber und Vertreter der Triasidee die Absicht haben, die deutsche Politik bedingungslos den Anforderungen Oestreichs unterzuordnen? Hegen sie nicht vielmehr den Wunsch, als Vermittler zwischen den widerstreitenden Interessen der beiden Großmächte selbst die Leitung der deutschen Politik in die Hand zu nehmen? Einen verfassungsmäßig constituirten Vermittler kann aber weder die