Beitrag 
Briefe über Oestreich : 1. Oestreich und die Würzburger.
Seite
44
Einzelbild herunterladen
 

44

teien gab der östreichisch-italienische Krieg, indem derselbe der großdeutschen Par­tei willkommene Gelegenheit bot, einen leidenschaftlichen Wort- und Federkrieg gegen Preußen zu eröffnen. Sie hatte dabei den Vortheil, sich auf den in Süddeutschland lebhaft aufgeregten Patriotismus stützen und im Namen des gekränkten Nationalgcfühls die heftigsten Anklagen gegen Preußen schleudern zu können, als ob dieses mit Verletzung seiner Bundespflichten Oestreich im Stich gelassen habe. Die tleindcutsche, ausschließlich aus liberalen Elementen zusam­mengesetzte Partei befand sich in einer nicht gerade angenehmen Situation. Mit ihren Sympathien hatte sie mehr auf Seiten Italiens als Oestreichs ge­standen. Andererseits konnte aber auch sie nicht verkennen, daß durch den Ver­lauf des Krieges Frankreich einen für Deutschlands Sicherheit gefährlichen Macht- zrnvachs erhalten hatte; wie denn anch in ihren Reihen die damals populäre Furcht Eingang fand, daß Napoleon nur deshalb seinem Programm:Frei bis zur Adria" untreu geworden fei, um womöglich noch die Herbstmvnate zur Wegnahme der Rheinprovinz zu benutzen: man sah bereits im Geist die Gallier ihre Rosse in dem vaterländischen Strome tränken. Die damals herrschenden Besorgnisse waren allerdings krankhaft übertrieben, doch keineswegs ganz un­gerechtfertigt, und für Deutschland insofern heilsam / als aus ihnen sich das klare Bewußtsein entwickelte, daß im Augenblicke der Gefahr der Antagonismus der beiden Großmächte die Kräfte Deutschlands völlig zu neutralisiren drohe. Dies Bewußtsein trug indessen nur dazu bei, jede der beiden Parteien in ihren Ueberzeugungen zu bestärken. Die kleindeutsche Partei sah die Ursache alles Uebels in der bestehenden, die beiden Großmächte durch ein unnatürliches Band verknüpfenden Bundcsverfassung. Dem gemäß sah sie das einzige Heil in dem Ausscheiden Oestreichs aus dem Bunde, in der völligen Umgestaltung der Bun­desverfassung und zunächst in der Übertragung der politischen und militärischen Leitung Deutschlands an Preußen. Die Grvßdeutschen dagegen machten nicht die Bundesverfassung, sondern Preußens Unbotmäßigkeit für die Lähmung der Kräfte Deutschlands verantwortlich. Sie waren überzeugt, daß, wenn Preußen zum Gehorsam gegen die Decrete des Bundestags gezwungen würde, wenn man es nöthige, sich masorisiren zu lassen (den Nebcnpunkt, mit welchen Mit­teln die Execution gegen das widerspenstige Preußen zu vollziehen sei, ließ man einstweilen noch unerörtert), Alles in Deutschland aufs Beste gehen würde. Diesen Bestrebungen gegenüber war Preußen, so lange es nicht die Initiative zu einer Umgestaltung der deutschen Verhältnisse in seinem Sinne ergreifen konnte oder wollte, darauf angewiesen, den Bundestag aufs allerstrengste inner­halb der Schranken seiner Competenz zu halten, was freilich von einem Trocken­legen des Bundestages nicht sehr verschieden war. Da nun aber Preußen bei dieser Methode, so lange es auf das Vertrauen und die Geduld der National­partei rechnen konnte, nicht schlecht stand, so sahen sich die Mittelstaaten, denen