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Ludwig von Mühlenfels : als Gefangener der Stadtvoigtei in Berlin : (1819-1920).
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auf meine Flucht vorbereitete, für den Fall, daß der Drang der Umstände sie nothwendig machen sollte, hatte ich oft den innern Vorschieberiegel meiner Ge- fängnißtbüre vorgeschoben und dem wachthabenden Gensdarmen und der Auf­wärterin, die alle Morgen an meine Thür klopften, um eingelassen zu werden, bekannt gemacht, daß es ein Zeichen meiner Unpäßlichkeit sei, wenn ich nicht antworte,-und daß ich alsdann nicht gestört zu sein wünsche. Anfangs wurden Einwendungen dagegen gemacht; da ich aber auf meinem Sinn bestand und selten trotz des unmanierlichsten Klopfens Antwort gab, so beruhigte man sich dabei und ließ es als die wunderliche Grille eines Kranken gelten.

Nachdem ich die Ausführung meines in der Eile entworfenen Plans auf den Abend des 5. Mai festgesetzt hatte, schrieb ich an die königliche Immediat- Untersuchungs-Comission, entwickelte die Gründe, die mich bewogen hätten, meine Freiheit selbst zu suchen, und schloß das Schreiben mit den Worten:

Um meinen erhabenen Monarchen zu überzeugen, daß ich allein Rettung vor gesetzwidriger Gewalt suche, erkläre ich hiermit auf mein Ehrenwort:

daß diese Entfernung keineswegs ihren Grund in einem Mangel an Ehr­erbietung vor meinem erhabenen Herrscher, noch in dem Wunsche mich einem rechtskräftigen Urtheil zu entziehen habe, sondern daß ich mich auf meine Ehre verpflichte, mich der wider oder für mich ausfallenden Ent­scheidung des Breslauer Oberlandsgerichts zu unterwerfen, dafern nur das königliche Wort bis dahin und insonderheit nach erfolgter Freisprechung, Freiheit und Scbutz gegen alle polizeiliche Angriffe und Beeinträchtigungen, zumal gegen den ungerechten Haß des Herrn von Kamptz zusagt. Ich ersuche eine königliche Immediat-Untersuchuugs-Commission, St. Ma­jestät von meiner vorstehenden Erklärung in Kenntniß zu setzen. Binnen drei Wochen sehe ich einer Aufforderung unter der erwähnten Voraussetzung in den Berliner oder Hamburger Blättern entgegen."

Dieses Schreiben ließ ich auf dem Tische im Gefängniß zurück, dann ließ ich unter dem Vvrwande, unpäßlich zusein, das Gefängniß zeitiger wie gewöhnlich ver­schließen, packte in einen kleinen Tornister die nöthige Wäsche, schor in der Eile meinen langgewachsenen Bart ab, steckte Geld zu mir (ich hatte eine ziemlich bedeu­tende Summe in Gold schon von Köln her im Einband meiner Bibel versteckt gehalten), und die Zeit benutzend, wo der Gensdarm in seiner Wachstube be­schäftigt war, öffnete ich mit dem kleinen verhängnißvvllcn Schlüssel die Thüre. Um meine Wächter am folgenden Morgen zu täuschen, zog ich mittelst eines an dem innern Vorschicberiegel befestigten Zwirnsfadens, den ich durch die Thürspalte führte, jenen vor, so daß die Gefängnißthüre nur mit Gewalt von außen geöffnet werden konnte, wodurch ich mir aber freilich auch den Rückweg versperrte. Kaum einige Schritte von meiner Thüre entfernt, hörte ich zu meiner unbeschreiblichen Angst, daß die Pforte, die nach dem innern Hofe (dem