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Piemont in den Jahren 1846 und 1847.
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Fällen gelang es, Ausnahmen von dieser rigorosen Strenge zu erwirken. Gleich- wobl war Piilamarina in andern Zweigen 'reformatorischen Bestrebungen nicht abgeneigt; besonders aber haßte er die Jesuiten, wie er von ihnen aufs erbit­tertste gehaßt wurde: dies allein reichte hin, ihn populär zu machen, und als im Herbst l847 der König ihn zugleich mit la Margherita entließ, war das Volt ebenso sehr über den Sturz des Letztern erfreut, als es ^den Pillamarina's bedauerte und ,den scheidende» Staatsmann mit sympathischen Kundgebungen seierte. Durch diesen systematischen Dualismus glaubte der König seine Unabhängigkett, seinen freien Willen zu wahren, den Einen durch den Andern zu beherrschen: in Wahr­keit war er 'selber beherrscht und hin und hergcwvrsen von den Eingebungen seiner Nathgeber und seinen eignen zufällig wechselnden Stimmungen.

Es lag unter diesen Umständen auf der Hand, daß wie manche werthvoile Reformen auch rwn Karl Albert ausgingen, doch nach zwei Seiten zunächst nichts zu hoffen war. Der König wollte weder eine Perfassung, weil er durch sie gebunden gewesen wäre, noch eine freie Presse, weil er fürchtete, durch sie auf dem liberalen Weg fortgedrängt zu werden. In ersterer Beziehung wirkten so­gar religiöse Bedenklichkeiten mit. Als Balbv in vertraulichen Briefen an den König zum ersten Male freimüthig eine Perfassung befürwortete es war be­reits im Spätberbst 1847 antwortete ihm der König mit der Frage: was ein Christ von einem Bande zu halten habe, das einem Eide gleich komme. Balbo, seinen religiösen Grundsätzen gemäß, gab sich gefangen und fand diese Scrupulosität gerechtfertigt, Am meisten aber lastete der Druck der Reaction auf der Presse. Hier schaltete der Jesuitismus mit fast schrankenloser Willkür. Die ohne Grundsätze, nach bloßer Laune gchanbhabte doppelte Censur, die geistliche und die weltliche, machte nicht nur einen freien Gedankenausdruck un­möglich, sondern erschwerte selbst die bloße Auseinandersetzung einer sonst un­verfänglichen Lebre, wenn sie gerade der individuellen Meinung des Censors entgegen war. Und da der geistlichen Censoren mehre waren, in ihren An­sichten keineswegs übereinstimmend, so konnte es ,z, B. bei dem damaligen Streit zwischen Givbertianern und Nosminianern vorkommen, daß man nicht einmal die Lehre Gioberti's getreu wiedergeben Purste, wenn der Censor ein Rosminianer war. oder Rosmini'S Sätze verstümmelt wurden, wenn sie in die Hände eines Giovcrtianers zur Durchsicht gelangten. Als damals ein junger Priester in einer Turiner Zeitschrift eine Abhandlung veröffentlichte, die gegen Gioberti's Lehrsätze gerichtet war, hatte er das zufällige Glück, einen Nosminia- nischen Censor zu finden, und seine Sehnst war bereits zur Hälfte gebilligt und ohne Abänderungen gedruckt. Da erkrankte der Censor, und die andere Hälfte kam in die Hände 'eines Anhängers Gioberti's. der nun seinerseits eine Menge willkürlicher Bemerkungen und Zusätze mitten in den Text einstreute, durch welche der Sinn des Autors ganz entstellt wurde, und die zweite Hälfte einen völligen Gegensatz bildete zur'ersten. Der Pcrfasser, der von Turin ab­wesend war, wurde die'seltsamen Abänderungen erst schwarz aus weiß gewahr; er wollte nun wenigstens dem Publicum gegenüber diese Absurdität erklären, allein vergebens; die Censur erlaubte es nicht, und der Unglückliche mußte sich dabei beruhigen, vor aller Welt als verrückt zu gelten. Eine andere Anekdote. Ein geistlicher Censor hatte seinen Bedienten angewiesen, unter die von ihm apprvbirten Schriften seine Namcnsunterschrift zu setzen, die der Bediente ganz gut nachahmen konnte. Die Folge war. daß man mit fünf Franken die Appro- birung und den Druck einer Schrift erlangen konnte, ohne daß sie der Censor gelesen hatte. Ein Perleger, der sich diesen Umstand bereits Medrmals mit Glück zu Nutz gemacht hatte, wagte es nun einmal, in irgend einer Abhand­lung eine sehr starke Stelle gegen die Jesuiten zu drucken. Das Aergerniß