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Neue Literatur der deutschen Geschichte und Alterthumskunde. 3.
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1000 breitete sich der gewöhnliche Hofhalt des deutschen Grundherrn oder Für- sten in einem Hofe von ganz anderer Beschaffenheit.

Der alte Hof der Franken und Thüringer, zuverlässig auch der übrigen oberdeutschen Stämme, war ebenfalls durch Zaun oder Mauer eingeschlossen, aber er umfaßte eine stattliche Bodenfläche, in ihm standen die Gebäude breit- gelagert, einzeln, niedrig. Im scharfen Gegensatz zu dem altsächsischen Brauch ist bei den übrigen Deutschen das Bestreben erkennbar, die verschiedenen Thä­tigkeiten des Haushalts und der Wirthschaft in verschiedenen, zahlreichen Ge­bäuden unterzubringen. Das Haus, der Saal, die Kemenate werden am häu­figsten als besondere Gebäude genannt, erst nach dem Jahr 1000 wird das Fremd­wort Mlu,tium im Deutschen als Palas für Herrenhaus gebräuchlich. Der Saal ist in ältester Zeit das stattlichste Gebäude des Haushaltes, es ist die weite Halle, in weicher der Hofherr mit feinem Gefolge <Gesinde), seinen Hausgenossen und Gästen verhandelt, tafelt und zecht, es ist der Schmuck des freien Herrenhose?, noch in den Nibelungen ein einstöckiger Holzbau, wenige Stufen über den Boden erhöht, mit kleinen Fensteröffnungen, wahrscheinlich ohne andere architektonische Abtheilungen, als eine erhöhte Bühne auf einer Lang- oder Quer­feite des innern Raumes. Aus diesem Saal führt die Thüröffnung ins Freie die Treppe hinab, an den Thürpfosten stehen z. B. Hagen und Volker als Wächter, um einige Stufen höher als die Heraufpringenden Angreifer. Zwischen dem Saal und den Häusern es werden an großen Fürstcnhöfen von den Dich­tern gern mehre Paläste gezählt, ist ein weiter Hofraum zum Spiel der Rosse und Männer, um die Wohnhäuser liegen die Kemenaten, kleine Wvh- nungsräume für die Frauen und Dienerinnen, Schlafstellen, Wiuhschaftskammern; auch sie werden häufig als besondere Gebäude genannt oder sie sind dem Haus oder einer Mauer angebaut und haben in diesem Fall wol eigene Thüren ins Freie. Oft freilich sind sie Zellen im Hause.

Diese altheimische Weise, im weiten Hof, in niedrigen, neben einander stehenden Gebäuden zu Hausen, verging allmälig. Die verheerenden Einfälle der Ungarn und Normannen, die Verminderung der freien Hvfherren und das Aufkommen des räuberischen Dienstadels trugen dazu bei, den römischen Bur­genbau zu verbreiten. Die Baukunst des romanischen Stils fand bei den hohen Steinhäusern zwischen Thürmen und Vertheidigungsmauern Gelegen­heit, ihre Erfindungskraft,zu bewähren und ihren Schmuck anzubringen. Aber die Gewohnheiten des deutschen Lebens machten sich auch in dem kunstvollen Burgbau geltend, die Räume, welche auf der Felshöhe eingeengt durch Festungsmauern, nicht mehr als getrennte Gebäude neben einander stehen konnten, wurden unter demselben Dach über einander angebracht, und Keme­nate, die Wohnstube mit dem Herd und Schornstein, ja auch der große Saal ordneten sich in die Stockwerke. Wurde 5er Saal in den obern Theil des