Briefe eines Deutschen vom uordamerikanischen Kriegsschauplatz.
Im vorigen Jahre ging ein junger Mann, der Sohn anständiger Eltern, welcher die Handlung erlernt hatte, hinüber nach Amerika, dort in seinem Fache sich weiter auszubilden, und, wenn das Geschick ihm günstig sein sollte, in der neuen Welt sein eigenes Geschäft zu begründen. Er fand in einem deutschen Handelshause zu St. Louis Condition, aber kurz darauf entbrannte der lang unterdrückte Kampf in der Union, der Alles in seinen Strudel mit hineinzog. Handel und Wandel stockten. Alle Kreise erfüllte kriegerischer Sinn. So entschloß sich auch unser junger Handelsbeslissener rasch zur Wahl einer andern Laufbahn: er vertauschte die Feder mit der Muskete, um für die Sache der unionstreuen Staaten mitzufechten.
Seine bisherigen Erlebnisse im Feldleben finden wir in den nachfolgenden Briefen, die er in die Heimath schrieb, und die in Allem den Stempel der Einfachheit und Wahrhaftigkeit tragen, nebenbei aber auf die dortigen Zustände und Stimmungen und namentlich auf das Verhältniß der Deutschen zu den Uan- kees interessante Streiflichter werfen.
^tt^s^nü ^ch il-Ncholi .11 c. .Ms>>,<./. MivM.'
St. Louis 2. September 1861.
Einige Zeilen von mir werdet Ihr schon durch Herrn Kaufmann N. erhalten haben. Jetzt werde ich Euch etwas ausführlicher schreiben, da ich seitdem Mancherlei erlebt habe, was Euch interessiren möchte.
Als die Zeiten hier so schlecht wurden, daß unser Principal sein Geschäft schloß und ich mit meinen Collegen entlassen wurde, waren eben die großartigsten Anwerbungen für die neu zu bildende Unionsarme im Gange. Da ein solcher Pact vorläufig nur auf drei Monate abgeschlossen wurde, so hielt ich es für das Gerathenste, dabei mein Glück zu versuchen, und gedacht, gethan, ich wurde Soldat. Ich trat in Siegels Regiment ein, das meist aus Deutschen bestand. So lange wir in St. Louis blieben, wo das Regiment formirt wurde, hatten wir es recht gut, und außer einer hinreichenden Ver-
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