Die Enthüllungen Don Zsnins.
Es kann kaum überraschen, zu erfahren, daß das stolze non possumus der römischen Curie, welches sie noch kürzlich dem Andrängen des Marquis von Lavalette entgegensetzte, keineswegs mehr der unverletzten Jungfräulichkeit sich erfreut, welche bei den Bewunderern der römischen Hartnäckigkeit so tiefe Verehrung genießt. Zu allen Zeiten hat es Rom verstanden, sich nicht blos mit den Kindern dieser Welt, sondern auch mit den Ideen dieser Welt zu vertragen, sobald diese Fügsamkeit mehr Vortheil für die eigenen Interessen versprach als zäher Widerstand. Und wenn auch der Vertrag von Toientino, in welchem Pius der Sechste genöthigt war, auf den Besitz von Avignon und Venaissin, auf Bologna, Ferrara und die Nomagna zu verzichten, nicht gerade als ein Beispiel freiwilliger Verzichtleistung angeführt werden kann, so hat doch der gegenwärtige Papst selbst in den ersten Jahren seiner Regierung sich zu solchen Concessionen an die Ideen der Zeit und an die Forderungen des italienischen Volkes verstanden, welche in der That das Aufgeben wesentlicher, durch die Tradition überkommener Souverainetätsrechte bedeuteten. Principiell hatte der Papst schon damals ganz den Weg beschütten, der ihm jetzt zugemuthet wird, schon damals war die römische Frage in ein Stadium eingetreten, in welchem sie nicht vom Standpunkt eines religiösen Dogmas, sondern vom Standpunkt der Politik aufgefaßt und behandelt wurde. Auch für die Zukunft wird sich zuverlässig annehmen lassen, daß trotz des emphatischen iron xossumus, trotz der wiederholten Versicherung, „keine Transaction mit Räubern" einzugehen, die Curie keineswegs Bedenken tragen wird, sich gutwillig mit dem Königreich Italien abzufinden, sobald sie davon mit Sicherheit eine Förderung ihrer Interessen erwarten, oder wenigstens ein schlimmeres Schicksal damit abzuwenden hoffen kann. Daß dann Sr. Eminenz dem Cardinal-Staatssecretär Antonelli die Betretung dieses Wegs nicht mehr ganz neu sein wird, dasür liegen heute die Beweise vor in den Documenten, welche kürzlich zu Turin über Verhandlungen, die zwischen Cavour und Antonelli im Anfang des Jahres 1861 geführt wurden, veröffentlicht worden sind.
Grenjbotm II. 1862. 6