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Guizot über Kirche und Staat.
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zug. sich der europäischen Politik durch ihren scheinbar conservcitiven Charak­ter zu empfehlen. Sie bietet ihm aber (und das ist eben der charakteristische Zug der Napoleonischen Politik, die sich stets zwei Wege offen halten muß) zugleich einen vortrefflichen Hebel, sofort mit dem Systeme zu wechseln, und. wenn sein Vortheil es erheischt, aus der Politik des legitimen Einflusses zu der Eroberung überzugehn. Für diesen Fall ist es für ihn von der äußersten Wichtigkeit, der Hilfe Italiens sicher zu sein. Auf die Dankbarkeit Italiens kann er nicht unbedingt rechnen; schon macht sich dort mehr und mehr die Ansicht geltend, daß der Zoll der pflichtmäßigen Erkenntlichkeit dnrch die Ab­tretung Nizza's und Savoyens bereits abgetragen sei. Italien darf aber nicht in eine Lage kommen, die ihm die Wahl zwischen Napoleon und sei­nen Gegnern möglich macht. Die Erfüllung der italienischen Wünsche wird deshalb nickt, wie Guizot es wünscht, unwiderruflich abgeschnitten, sie wird zunächst nur hinausgeschoben, und aus der Ferne als ein Lohn gezeigt, für Dienste, die Frankreich in einer europäische» Krisis von Italien beansprucht. Von Europa soll nach Napoleon's Willen Italien Vernichtung, von Frankreich die Verwirklichung seiner Hoffnung erwarten. Dies ist die europäische Seite der italienischen Frage.

Augenscheinlich unterscheidet sich daher Guizot's Auffassung der italieni­schen Verhältnisse von der Napoleonischen nur dadurch, daß Napoleon in der noch unüberwundenen Dvppelseitigkeit seiner Stellung einen doppelten Weg sich offen erhält. Principiell stehen dagegeu beide auf demselben Standpunkt; beide seheu in der Consolidirung Italiens eine Schranke für den Einfluß Frankreichs. Und das ist, wen» man, von allen augenblicklichen Verwickelungen absehend, den Kern der Frage, das Bleibende uud Dauernde in dem Wechsel mome»ta»cr Anforderungen ins Auge faßt, von französischem Standpunkte aus die correcte Auffassung. Guizot's italienisches Programm ist »icht, wie man es nach manchen allgemein gehaltenen Kapiteln zu glauben geneigt sein möchte, von allgemeine» nebelhaften Tendenzen, es ist von der Erwägung der klar erkannten Interesse» Frankreichs eingegeben und mahnt uns daher dringend, auch unsererseits die italienische Frage, ohne tendenziöse Ncbenrncksichten. nur von dem Standpunkt unseres Interesses aus nufzufasscu und zu beurtheilen.

O. 2.