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Berliner Brief.
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Berliner Brief.

3. Februar.

Nun sage noch Jemand, daß das Herrenhaus oppositionell, oder daß es nicht die festeste Stütze des Ministeriums sei! Am letzten Sonnabend hat das hohe Haus aller solchen üblen Nachrede ein Ende gemacht. Den Gesetzent­wurf über die Ausdehnung der Reservepflicht von zwei auf vier Jahre haben die Herren in einer halbstündigen Sitzung ohne alle Debatte erledigt und an­genommen. Daraus kann man sehen, wie Cavaliere Geschäfte besorgen. Niemand hat die hohe Bortrcfflichkeit des Herrenhauses besser eingesehen, als unser Kriegsminister Herr v. Noon. Nicht umsonst rühmte er, als er seinen Gesetzvorschlag einbrachte, dieangenehme Temperatur" des Hauses. Die Herren wollten das Compliment verdienen und haben gezeigt, daß für den Kriegsminister unter ihnen eine wahre Treibhaustemperatur herrscht. Der Gesetzentwurf ist am 23. Jan. eingebracht; das Herrenhaus weist denselben an eine Commission, welche in einer einzigen Sitzung am 27. Jan. die Be­rathung erledigt. Der Berichterstatter Freiherr von Buddenbrock, ein bewähr­ter Staatsmann, schreibt einen kurzen Dithyrambus, einen Bericht kann man es eigentlich nicht nennen; denn der Hauptgegenstand der Vorlage, daß die gesammte dienstpflichtige Mannschaft des Landes vom 25. bis zum 27. Jahr aus der Landwehr in die Linie versetzt werden soll, wird mit kei­ner Silbe erwähnt; also auch nicht die mannigfachen voltswirthschaft- lichen und finanziellen Bedenken, welche gegen die Durchführung dieser Maß­regel laut geworden, sind. Alle diese Bedenken werden unbesehen zu dem ungewaschenen Zeug geworfen, durch welches dieLiteraten" in ihrenMan­sarden" so falsche Begriffe verbreiten. Ueber solche Schreibereien denken die Junker, wie die Mouche des Mittelalters über das Griechische: 6rg.ee«. srmt, von log'urrtur. Wenn aber die Herren selbst anfangen zu schreiben, so gilt von ihnen, was der ehrliche Holzapfel sagt-Eure Schreibe- und Lesekunst, damit könnt Ihr Euch sehen lassen, wo kein Mensch solche Dummheiten nö­thig hat." Nach solchen Grundsätzen ist der Bericht des Freiherrn v. Bud­denbrock gearbeitet. Der hauptsächlichste Vorzug eines derartigen Schrift­stückes ist, daß man nicht viel daran zu studiren hat. Ein fernerer Vorzug des Berichts ist. daß er, weil er keine Gedanken enthält, auch nicht zur Ge­genrede auffordert. Beide Vorzüge haben sich durch den Erfolg bewährt. Schon am 1. Februar hatten die Herren sich hinlänglich au tait gesetzt; die Sache kam im Plenum des Hauses zur Berathung, oder vielmehr nicht zur BerattMng. sondern nur zur Abstimmung. Denn Niemand^ sah sich ver-