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Berliner Briefe.
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selbst in's Grab versenkt;" und von der Regierung stellte sie den Satz auf. daß wer als Freibeuter beginnt, auch als Freibeuter enden wird." Das, meinen wir, ist die Spracht von schlechten Demagogen. Wenn daher auch Versuche gemacht werden, Männer von aufrichtiger conservativcr Gesinnung mit einer gewissen Furcht vor Ueberstürzung zu erfüllen und sie dadurch in das feudale Lager zu treiben, so wird das keinen Erfolg haben. Die 15 Feudalen werden hoffentlich ungestört fortfaliren können, ihreinnerlichen Siege" zu erkämpfen.

Wichtiger ist die Frage, wie die constitutivnellc Partei sich gestalten wird. Wir fassen unter dieser Benennung alle diejenigen zusammen, welche, ausrichtig aus dem Boden unserer Verfassung stehend, in Gemeinschaft mit der gegenwärtigen Regierung an dem Ausbau unserer verfassungsmäßigen Institutionen zu arbeiten wünschen; welche deshalb namentlich die liberalen Elemente des Ministeriums zu kräftigen bemüht sind; welche also in dem, was sie fordern, und in dem, was sie bewilligen oder ablehnen, sich stets die eigenthümliche Lage des Ministeriums gegen­wärtig halten und so viel als möglich Alles vermeiden, was einen Sturz deS Mi­nisteriums herbeiführen könnte. Hierbei aber gibt cS immer eine Grenze; und diese Grenze ist rein subjcctiv. Dem Einen erlaubt es sein Gewissen weiter zu gehen als dem Anderen. Es fragt sich also: werden die einzelnen Mitglieder der constitutio- ncllen Partei in der Grenze, welche sie sich für ihre Nachgiebigkeit stecken, so weit von einander diffcrircn, daß sie sich in zwei Fractionen spalten müssen, oder wird die ganze Partei ungethcilt beisammen bleiben können? Nach verschiedenen An­zeichen, welche bereits vorliegen, ist es wahrscheinlich, daß wir in der nächsten Kammer zwei konstitutionelle Fractionen haben werden. Einerseits hat Grabow seine politischen Freunde eingeladen, sich zur Constituirung einer Partei mit ihm zu vereinigen. Andererseits wird von Einladungen zu einer besonderen Fractions- dildung berichtet, an deren Spitze Männer wie Hnrkort, Stavcnhagen, Bockum- Dolffs stehen werden. Schwerlich wird sich die Spaltung, die hier bereits angebahnt ist, noch vermeiden lassen. Vielmehr darf man annehmen, daß sich unter Leitung von Grabow und Lctte ein rechtes Centrum, unter Leitung von Harkvrt und Stavcnhagen ein linkes Centrum bilden wird.

Wer Ausrichtigkeit und Einsicht genug hat, darf gar nicht wünschen, daß diese Spaltung noch wieder verkleistert werde; vielmehr liegt dieselbe im Interesse der constitutioncllen Partei selbst. Nur darf die Scheidung nicht auf Grundlage früherer Abstimmungen, wie z. B. über das Vincke'sche und Kühne'sche Amendement, vorge­nommen werden. Es wäre thöricht, sich nach dem Verhältniß zu einer Frage son­dern zu wollen, die gar keine praktische Bedeutung mehr hat, oder die wenigstens in einer ganz anderen Gestalt, als im vorigen Jabre, an da« Abgeordnetenhaus herantreten wird. Wenn aber die Scheidung aus Grundlage der jetzt vorliegenden Fragen und ohne Rücksicht auf alte Zerwürfnisse erfolgt, so ist sie im Interesse der Sache und im Interesse der constitutioncllen Partei selbst; und zwar auS einem doppelten Grunde.

Erstlich, die constitutionelle Partei, wenn sie in Einer Fraction beisammen bliebe. würde an derselben Krankheit leiden und zu Grunde gehen, wie in der vorigen Kammer die große Vincke'schen Fraction. Unter dem Namen der Konstitu­tionellen waren hier die disparatestcn Elemente vereinigt; bei jeder großen princi-