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worden, ist der gehörnte, bärtige, zottige Bock die Lieblingsverkleidung des Teufels und der Teufel wird also dem Wanderer sein Werk verderben. Ganz besonders charakteristisch aber ist. daß Schwäne, die eines Wegs mit dem germanischen Kriegsheer fliegen oder schwimmen, Glück und Sieg, daß aber dieselben Schwäne, wenn sie ihm entgegenkommen, Unglück und Niederlage bedeuten; denn die Schwäne sind nichts Andres als die Schwanjungfrauen, die Walküren in Schwanenhemden, welche die Loose der Schlachten lenken: ziehen sie mit uns, dann wehe den Feinden, ziehen sie wider uns heran, so werden sie gegen uns entscheiden.
Sehr eigenthümlich erscheint, daß es bei gewissen Thieren wesentlich darauf ankommt, in welcher Beschäftigung, in welchem Verhalten, an welchem Ort wir sie antreffen: ob wachend oder schlafend (Hund. Katze), im Wald oder auf dem Felde (Fuchs, Hase), fliegend oder sitzend (Reiher, Möve), im Wasser oder auf dem Land (Ente. Frosch). In manchen dieser Fälle findet die oben besprochne Jdentisicnung statt, z. B. wenn der gefangne Fisch Unglück, der Fisch im Wasser und besonders der Raubfisch (Lachs, Hecht, Forelle) Glück bedeutet. In viel zahlreicheren anderen Fällen aber ist eine Deutung gar mcht oder doch wenigstens unsrer dem Naturleben entfremdeten Stubenweisheit nicht mehr möglich. Ich glaube nämlich, daß sehr viele dieser Omina auf Wetter- und Naturbeobachtungen des Jäger-, Fischer- und Bauernlebens beruhen, welche, wie die sogenannten Bauernregeln im Kalender, uns nicht mehr zugänglich, in ihren Entstehungsgründen unfaßlich sind.
Sehr oft wird also hier gar keine Symbolik, sondern eine Wetter- oder Naturbeobachtung zu Grunde liegen; daher denn auch die unendliche locale Verschiedenheit gerade dieser Omina. Ein Beispiel für viele: wenn die Fi- lcher am Südende des schilfigen Ammersees bei Tagesgrauen ausfahren und sie finden die Reiher- und Mövenschwärme, welche sehr zahlreich die Ufer des versumpfenden Sees bevölkern, schon im Wasser, so bedeutet das Unglück wenn noch arn Lande, ist es ein gutes Zeichen für den Fischfang. Auf meine Frage warum, zuckten die meisten die Achseln und meinten, die Vögel seien halt manchmal r echt, manchmal „schiech" (mali omims, ii'g,ti, illt'austi, inimiei); aber ein alter Fischer lachte und sagte: die Vögel seien nie schiech, aber wenn sie schon früh im Wasser seien, gäbe es, das habe er jetzt seit vierzig Jahren beobachtet, immer bald Südwind und schieches Wetter. Hier sieht man. wie ein und derselbe Glaube bei verschiedenen Leuten derselben Gegend bald als Aberglaube, bald als bloße Wetterregel lebt. Und wie in diesem einen klaren Fall, wird es in zahllosen unklaren Fällen sein. Unsere heidnischen Vor- fahren, in ihren unmittelbaren Zuständen fortwährend im innigsten Zusammenhang mit dem ganzen Leben der Natur, hatten offenbar eine Feinheit und Sicherheit der Naturbeobachtung, welche wir mit unsern abgestumpften Sin-
Grenzboten I. 1862. 15