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dadurch verstärkt worden, daß Broglie im Jahre 1833 den Vorschlag Talley- rand's, über ein förmliches Bündniß mit England zu unterhandeln, abgewiesen hatte. Dazu kam noch, daß Ludwig Philipp, obschon aufrichtig dem consti- tutionellen System ergeben und von der Nothwendigkeit desselben überzeugt, doch ungern in die Consequenzen sich fügte, die dasselbe ihm auferlegte. Er war am liebsten sein eigener Ministerpräsident. In seiner leichten Weise, die Sachen zu nehmen, antwortete er Thiers und Guizot, wenn sie auf die Nothwendigkeit einer wirklichen, nicht blos nominellen Präsidentschaft hinwiesen: „Wozu haben Sie einen Präsidenten nöthig? Sind Sie nicht unter einander einig? Bin ich nicht mit Ihnen einverstanden?" Diesmal nöthigte ihn indessen die Fruchtlosigkeit aller Versuche, auf neuen Grundlagen ein Cabmet zu bilden, sich dem Verlangen Guizot's zu fügen.
Schwieriger noch war es. Thiers zu der Annahme der von Guizot angestrebten Combination zu bewegen. Thiers befand sich in einer bedenklichen Situation: jede Wendung, die er machen mochte, setzte ihn der Gefahr aus, sich zu compromittircn. Sich von den Doctrinärs zu trennen und auf eigne Hand ein Cabinet zu bilden, mochte seinem Gefühl widerstreben; vor Allem aber fühlte er sich noch nicht stark genug dazu; auf die Gefahr, mit einem solchen Unternehmen zu scheitern, durfte er es unmöglich ankommen lassen. Auf der andern Seite mnßte es ihm nicht minder bedenklich erscheinen, sich noch enger mit den Doctrinärs zu verknüpfen und Guizot gegenüber sich in eine offenbar unfreie Stellung hcrabdrücken zu lassen. Aber es blieb ihm keine Wahl. Dennoch zögerte und schwankte er: er wünschte das, was er thun mußte, wcnigsteus auch unter dem Schein einer Nothwendigkeit zu thun. Guizot (denn so fassen wir das Verhältniß auf) that ihm den Gefallen, ihn durch einen leichten moralischen Druck seiner Verlegenheit zu entreißen. Er rief eine Erklärung der Kammermajorität hervor, in der dieselbe die bisherige Politik des Ministeriums billigte und ihren dringenden Wunsch für die Erhaltung desselben aussprach. Auf diese Erklärung hin gab Thiers sein Widerstreben auf, und dem Eintritt Broglie's stand weiter kein Hinderniß
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im Wege.
Unter der Leitung des neuconstruirten Cabinets machte die Gesetzgebung nicht unbedeutende Fortschritte. Die verdrießliche amerikanische Angelegenheit wurde definitiv regulirt, die Criminalgesetzgevung in den Colonien refornürt, ZoUerleichterungcn im Verkehr mit England wurden theils eingeführt theils angebahnt. Dagegen vermögen wir in dem Verlaufe des Processes der Aprilangeklagten vor dem Pairshofe keineswegs eine Stärkung der Staatsgewalt zu erkennen. Zwar der Ruhe. Festigkeit und maßvollen Billigkeit der Pairskammer gegenüber der in den Annalen der Criminalistik unerhörten Zügellosigkeit und Frechheit der Angeklagten war alle Anerkennung zu zollen.