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Der zweite deutsche Juristentag. 2.
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wird es freilich kaum zweifelhaft gewesen sein, daß man sich so erklären werde und erklären müsse. Immerhin ist es für die Leute der Gesetzgebung, bei denen oft mehr Zweifel herrschen, als in der Wissenschaft, bedeutsam, daß sich in solcher Weise die Rechtsüberzeugung der Juristen kundgegeben hat.

An diesem Beschluß ist Nichts zu mäkeln. Die Nation, wie die Juris­prudenz, welche es mit ihren Zielen ernst nimmt, kann Nichts mehr wünschen, als ihn bald zur Wirtlichkeit werden zu sehen. Die Erwartung, dadurch eine gesunde Entwicklung unseres gesummten bürgerlichen Rechts zu eröffnen, würde schwerlich getäuscht werden. Nicht anders kann mit der alten Afterweisheit des sogenannten Rechts, um derenwillen die Juristen von jeher dem Volke ein Dorn im Auge waren, aufgeräumt werden.

Ungleich weniger Beifall konnte man den hieran sich reihenden weiteren Anträgen schenken. Dieselben faßten weitaus zu vereinzelte Punkte des Pro­cesses auf. was sich doppelt fühlte, da der erste, wie oben erwähnt, so ganz anders geartet war. Es scheint, als wenn der Antragsteller die drückendsten Desiderien des preußischen Processes zur Entscheidung bringen wollte.

Dies ist nun auch geschehen. Indessen kann man der Entscheidung un­geachtet der Sorgsalt, mit der sie getroffen wurde, keineswegs den Werth eines endgültigen Abschlusses beilegen. Schon in der Berathung zeigte sich, daß manche dieser Punkte, wie namentlich die Appellabilität der Beweisinterlocute, das Verhältniß der zweiten Instanz, wesentlich mit unter dem Einfluß von allgemeinen Grundsätzen stehen, über welche man sich noch nicht geeinigt hat. Nimmt man letztere zur Hand, so wird sich vielleicht ergeben, daß man zu anderen Resultaten gelangt. Das ist, wie oben hervorgehoben, die unaus­bleibliche Folge, wenn man vor den Hauptgrundlagen Einzelheiten bearbeitet. Auf die nähere Schilderung der im Ganzen nur juristisches Interesse darbie­tenden Sätze muß hier verzichtet werden.

Nur so viel ist noch bcmerklich zu machen, daß'ein Beschluß, von dem Plenum auf Empfehlung der vierten Abtheilung gebilligt, im grellen Wider­spruch mit dem in der letzteren sonst bethätigten Geiste steht. Man hat sich für unbedingten Anwaltszwang in dem mündlichen Verfahren ausgesprochen. Jeder Unbefangene sollte von vornherein meinen, daß dort der Beistand eines Anwalts leichter entbehrlich werde, als im schriftlichen Verfahren. Dennoch waren gerade die hannoverischen Juristen für absoluten Anwaltszwang. Auf die humoristische Erwägung, welche es rathsam erscheinen ließ, sogar Rechts­kundige diesem Zwang zu unterwerfen, braucht kaum Gewicht gelegt zu wer­den. Leider wurden die Versuche, den Zwangsbeschluß abzuwenden, gerade von Anwälten selbst, nicht mit sonderlichem Geschick geführt. Aber wahr bleibt es, daß hier ein Stück Bevormundung oder Zwangsfürsorge, wenn auch aus Sorge für die ersten Erfolge der Mündlichkeit. von Manchen decre-