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Die bildende Kunst des 19. Jahrhunderts in Frankreich. 10. : Die Zersplitterung der Genremalerei. Der neueste Realismus. Die Landschaft.
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schichtliche Vergangenheit die Greifbarkeit der Gegenwart hervorheben, die Behandlung lehnte sich gegen das Recht des Ideals und der Schönheit ans und erklärte die geistlose Realität der untersten Gattung für das Künstlerische. Bis zu diesem Extrem war in seinem einseitigen Verlaufe der Realismus ge­kommen, der in Gäricault vom leidenschaftlichen Pathos ausgegangen war. Courbet und seine Nachfolger vergessen, daß auch die Malerei eine Kunst des Scheins ist und daß selbst das Gemeine bei seinem Durchgang durch die Phantasie den verklärenden Hauch des menschlichen Geistes empfängt; will dieser in das Materielle ganz aufgehen, so ist das einfach ein Widerspruch, an dem schließlich die ganze Richtung zerschellt. Courbet wurde denn auch, nachdem er noch mehrere Bilder von jener Art gemalt hatte, der Sache müde und zeigt nun sein Talent in einer zwar derb-realistischen, aber breiten und lebendigen Behandlung der Landschaft und des Thierlebens. Seine Nachfolger sind größtentheils Karikaturen: Millet, Salmon, Desvaux.

Ein eigenthümliches Talent ist Adolphe Breton, der sich, wie Courbet. die Darstellung des niederen Lebens in setner ganz zufälligen Wirklichkeit zum Grundsatz macht, ober durch freie, warme Lichtstimmungen und einen leisen sentimentalen Anflug, den er seinen Gestalten zu geben weiß, eine Art poetischer Wirkung erreicht. Er entnimmt seine Motive der mühsamen Thätigkeit des Landmannes; aber das Ganze wirkt in der vollen Glmh der Mittagssonne oder dem warmen Dämmerschein des Abendlichts wie ein wehmüthiges Idyll, und seine Bäuerinnen sehen nicht selten aus, wie wenn sie um ihre Noth wüßten und bisweilen wol auch, ähnlich wie die Landmüdchen der Georges Sand, einer gewissen Gefühlsschwärmerei nicht abgeneigt wären. Nicht zu vergessen ist, daß diese Realisten in allen äußeren Mitteln der Darstellung Wohl bewandert sind und vornehmlich durch eine kräftige Behandlung der Lo- caifarben und eine geschickte Anwendung der Contraste einen lebhasten male­rischen Effect zu erreichen wissen.

(Schluß der Artikel in nächstem Heft)