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Die bildende Kunst des 19. Jahrhunderts in Frankreich. 10. : Die Zersplitterung der Genremalerei. Der neueste Realismus. Die Landschaft.
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lichen Motive sind nur ein Vorwand , um uns die schönen Menschen und Culturformen der alten Welt in der Bestimmtheit des gewöhnlichen Lebens vorzuführen. Die ungewohnte Anschauung, ein feines Verständniß für die Form und Bewegung des Körpers, dazu die sorgfältigste Ausführung geben den Bildern einen eigenthümlichen Reiz, aber fast in allen ist eine triviale, oft unedle Auffassung der geistigen Beziehung (griechisches Lupanar. Phryne vor den Richtern, der beiden Augurn). Von reinerer Wirkung sind insofern einige Genrebilder aus der neueren Zeit (Duell nach dem Maskenbälle, rufst' sche Soldaten). In einer andern Weise behandelt Louis Hamon antike Menschen in der Gewöhnung des täglichen Daseins. Er gibt Phantastege- vilde; er schiebt seinen Gestalten gerne novellistische Beziehungen moderner Art unter, bringt auch wol seine hell, leicht, anmuihig hingehauchten Figuren, denen deshalb doch die Bestimmtheit der Form nicht fehlt, in ein ganz räthselhaftes Verhältniß (Na soöur n'^ est L!om6äie uurnams, Huart ä'ueurs äs Rabelais, u. s. f.) Die Bilder sprechen eben durch dieses Spiel der Phantasie an, das in jener zarten, duftigen Behandlung seinen angemessenen Ausdruck findet. In ähnlicher Art, wie diese Vorgänger, aber ohne sie zu erreichen, nehmen Picon. Jsambert, Jobbe' Duval ihre Motive aus dem Gattungsleben der alten Welt.

Aus der neuern Zeit werden vornehmlich das 17. und 18. Jahrhundert mit Vorliebe behandelt. Für jenes haben die Holländer Gerard Dow, Mieris und Metzu die Anregung gegeben; in den meisten Fällen sind sie geradezu zum Muster genommen worden und unerreicht geblieben. Gerade hier wird der Mangel an innerem Leben am fühlbarsten, den eine solche künstliche RückVersetzung in die alltägliche Wirklichkeit eines vergangenen Jahrhunderts mit sich bringt. (Beispiele: Brellouin und Dubasty). Denn hier ist keine That, keine durch die Geschichte überlieferte Situation, die dem Künstler, wie dem Beschauer ein tieferes Interesse einflößt-, die bloße Gewöhnung aber, die Sitte einer Zeit ist in der Kunst nur dann von wahrem Reiz, wenn aus den Gestalten die Kraft und Fülle des innern Lebensgrundes herausleuchtet, und das gelingt nur dem Künstler, der aus demselben Boden steht. Besser wissen die Franzosen mit der Darstellung des Rococo umzugehen: die Zeit des Puders, der Zierlichkeit und des feinen Lebensgenusses ist von Frankreich ausgegangen, und in diese kokette, geschmückte Welt, in dieses Leben voll Lächeln. Spiel und Lust verstehen auch die heutigen Franzosen sich wohl hineinzufühlen. Vor Allem ist es Ernest Meissonnier, der die Menschen des 18. Jahrhunderts nicht blos in ihrem Costüm und ihrer häuslichen Umgebung, sondern auch in ihrer Lebensweise, den Umgangsformen, ihrem geistigen Typus zu treffen weiß. Er nimmt sich meistens die stille, harmlose Seite des Lebens zum Vorwurf, musicirende, lesende, spielende, gemüthlich beim Glase Wein versammelte