84«
schaffen das Gemüth' sein müsse, um ihren Schlingen zu erliegen, welche Veränderungen es dadurch erleidet u. s, w. Darum wählte er zum Mittelpunkt der Handlung nicht wirkliche Katholiken, sondern zwei Renegaten.
Die Kirche kann sich nicht sehr geschmeichelt fühlen durch die Erwerbungen, welche der Dichter sie machen läßt. Lucinde ist eine geborne Dirne, die freilich nach der Versicherung des Dichters, der es doch am besten wissen muß, bis au's Ende ihres Lebens Jungfer bleibt, ungefähr in der Art, wie Voltaire's Pucelle;. Klingsohr ist ein hohler, seichter Schönredner, der mit seinen Empfindungen und Gedanken weibisch kokettirt, er ist ein Ritter vom Geist. Der Punkt, auf den eigentlich Alles ankäme, der Moment ihrer Bekehrung wird nicht charakterisirt. Bei Lucinde war es freilich nicht nöthig, denn sie thut es, um Geld zu verdienen; dagegen hätte man bei Klmgsohr einige nähere Erläuteruugcn gewünscht. Verändert wird bei ihnen durch den Ueber- lntt nichts. Lucinde bleibt die Dirne, die sie war; selbst, der Schauplatz ihrer Wirksamkeit wird nur wenig anders, und als sie zuletzt ihr höchstes Ziel erreicht. Maitressc eines abgelebten Cardinals zu werden, verliert man sie aus den Augen. Auch Klingsohr bleibt der alte-Schönredner, der alte Ritter vom Geist, der alte blasirte Declamator, der durch hochklingende Worte mit einem gewissen Behagen aus seinem hohlen Innern Thränen hervorzupressen sucht; er compromittirt sich fortwährend durch vorlaute Rede», und wird zur Strafe genöthigt in einen, immer noch strengeren Orden zu treten; einmal wird er sogar körperlich gezüchtigt, was dem Leser sehr wohlthut. Aber wozu wir uns eigentlich mit diesen höchst erbärmlichen und höchst uninteressanten Per- önlichkeiten in dieser Breite beschäftigen sollen, das ist nicht zu errathen. Daß die Mehrzahl der Renegaten wirklich von der Art sind, läßt, sich gar nicht bestreike», aber um diese unzweifelhafte Wahrheit zu erkennen, hätte man uns doch nicht durch diesen entsetzlichen Schmutz durchhetzen dürfen,, den wir durchwaten müssen, um sie in ihrem wenig bcneidenswerthcn Schicksal zu verfolgen.
Ein anderer Ritter vom Geist, ein Zwillingsbruder Dankmar Wildungens, gleichfalls ein Referendarius oder Assessor oder so Etwas, Benno von Asselyn, scheint nachher in den Vordergrund treten zu sollen. Auch er erfreut sich einer wunderbaren Unsicherheit über das. was er denkt, was er will, was er empfindet, und wird durch diese Unsicherheit in die zwecklosesten Abenteuer verstrickt. Aber er ist durchaus nichts Neues und wird zu obenhin behandelt. Dabei wird die Aufmerksamkeit fortwährend dadurch verwirrt, daß man sich in jedem Bande eine neue Genealogie einprägen muß: wie in den „Rittern vom Geist", weiß auch hier fast kein Einziger, wer sein wirklicher Vater ist, und das zerstreut die Aufmerksamkeit zuletzt auf eine ganz unleidliche Weise. Die episodischen Figuren haben zwar eine kirchliche Färbung, aber diese Färbung ist ganz localer Natur; sie könnte, als untergeordnetes Moment von