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Der Zauberer von Rom.
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stische Talent. Für kleine Schwächen der Eigenliebe, der Koketterie u. s. w. zeigt Gutzkow schon in seinen früheren Schriften ein scharfes Auge; er hätte es noch bedeutend schärfen können, wenn er es nicht durch gefärbte und ver­kehrt geschliffene Gläser, d. h. durch Phrasen, durch schwungvolle, aber nichts­sagende Redensarten verdorben hätt-e.

Es kam ihm aber nicht blos darauf an. was er vom katholischen Leben gesehen, dem protestantischen Publicum, welches keine Gelegenheit dazu hatte, mitzutheilen, sondern er wollte zugleich die historische Bedeutung der katholi­schen Kirche tiefer begründen, und durch eine Art von Inspiration das Prob­lem lösen, an dem schon so viele Jahrhunderte gearbeitet haben.

Das Erscheinen der letzten Bände verzögerte sich sehr lange, und der Ge­danke lag nahe, daß der Dichter diese Inspiration von den Begebenheiten erwartete. Seit dem italienischen Krieg schien eine ungeheuere Katastrophe des Papstthums unvermeidlich, und die nationale Umgestaltung der politischen Verhältnisse in Italien schien nur durch eine gänzliche Umgestaltung der Hier­archie möglich zu sein. Der Einzug Victor Emanuels oder Gcmbaldi's m Rom wäre ein kräftiger historischer Schluß für einen Roman gewesen, der mit Lucinde, Klingsohr und ähnlichem Lumpengesindel begann.

Allein die Geschichte war nicht so gefällig, dem Wunsch des Dichters in die Hände zu arbeiten: die römische Frage wurde fortwährend vertagt, und der Roman mußte doch endlich zum Schluß kommen. Gutzkow läßt also auf den jetzt regierende» Papst noch mehrere andere folgen, dann aber besteigt der heilige Bonaventura den Thron; gewählt unter den Acclamationen und mit Hülfe der Drohungen des römischen Pöbels, gestützt von Garibaldi oder einem ähnlichen Dictator, der mit gezücktem Schwert das Heiligthum bewachte ,

Bis dahin hatte der Dichter freies Spiel. Zwar lst nicht viel Chance dafür vorhanden, daß zu irgend einer Zeit die Wahl des Conclave auf einen Heiligen fallen wird, der neben seiner Heiligkeit auch ein arger Ketzer ist; allein da dies Ereigniß in eine Zeit verlegt wird, welche sich vorläufig der Controle des Publicums entzieht, so darf man mit dieser Erfindung nicht rechten. Es sei: ein Heiliger wird Papst, ein Heiliger, der zugleich äußerst aufgeklärte Grundsätze hat. Aber nuu folgt die Phantasie, die an der Phrase geschult ist: dieser Heilige proclamirt die Aufhebung der bisherigen Hierarchie und die Einberufung eines allgemeinen Concils, und damit ist die römische Frage erledigt.

Es genügt doch noch nicht, wenn man -die katholische Kirche in ihrer Machtfülle -und in ihren Verwirrungen charakterisiren will, die Studien an Kölner, Wiener und römischen Physiognomien gemacht zu haben. Wenn man durch die wohlwollende Gesinnung irgend -eines heiligen Mannes, er stehe auf der höchsten Spitze, eine Macht erschüttern zu können glaubt, die auf den