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Berliner Briefe.
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deS Einzugs im festlichen ' Gewände zu erscheinen. Dieser volksthnmliche Charakter des Krönungsfestes würde nvch deutlicher hervorgetreten sein, wenn das Ceremvniell in Königsberg etwas weniger byzantinisch gewesen wäre.

Aber so rufen uns unsere Freunde aus dem übrigen Deutschland zu man kann doch des Guttu zu viel thun. Man scheint zu fürchten, daß wir uns im Loyalitätseifer etwas übernommen und dabei gewissermaßen das Gleichgewicht verloren hätten. All der Jubel sagt man uns wäre in der Ordnung ge­wesen, wenn es nicht eine bloße leere Ceremonie, wenn es ein wahres Krönuugs- fcst von reeller Bedeutung gewesen wäre, wenn König Wilhelm sich nicht die preu­ßische Königskrone, die er schon hatte, sondern die deutsche Kaiserkrone aufgesetzt hätte, welche sein Vorgänger im Jahre 1849 ausschlug. Ja freilich, dann wäre die Krönung eine große geschichtliche Thatsache gewesen, deren speciellen Hergang man'noch in kommenden Jahrhunderten sich eifrigst vergegenwärtigen würde;- Während jetzt das Einzelne der Königsbcrger Krönung höchstens für Herrn von Malortic und seine Nachfolger von Interesse sein kann.

Das ist uns auch hicr vollkommen klar. Sie fragen, wie es denn möglich war, daß ein so bedeutungsloser Act ein ganzes Land in eine Art von Festesrausch versetzte. Man muß sich, um das zu verstehen, den Verlauf der Sache vergegen­wärtigen. - Anfangs drohte das Gespenst der Erbhuldigung. Es war ein fein angelegter Plan der feudalen Canwrilla, durch das Wiederaufleben der ständischen Huldigung das tvdtgcglaubte System der ständischen Monarchie aus dem Grabe zu erwecken uud dem konstitutionellen Staatsrccht einen lödtlichen Streich zu versetzen. Dem geraden, am' Ucbcrlicfcrtcn gcrn festhaltenden Sinn des Königs hatte man vorgeschwindelt, daß die Erbhuldigung ein seit der Gründung der preußischen Krone überliefertes ehrwürdiges Herkommen sci. Daß dies kcinen Sinn mehr hat, seit die Vcrfassungsurkundc besteht, daß an die Stelle der Huldigung der einzelnen Stände und der einzelnen Provinzen die Eidesleistung der Vertreter der ganzen Monarchie getreten ist, suchte man absichtlich zu verdunkeln. Es war über diese Frage im Sommer, Ende Juni, zu einer förmlichen Ministcrkrisie gekommen. Nach langem Schwanken wurde im Ansang Juli die Krönung beschlossen. Diese war also ein Sieg des constiintiomllcn Siaats über dic feudal-absolutistischen Trümmer. Tie Krcuzzcitung, welche gehofft hatte, das Ministerium werde über die Frage der Erb Huldigung stürzen, verlor vor Wuth vollkommen die Fassung, als dcr König sich für die Krönung entschied. Schon dies war Grund genug, die Krönung von vornherein populär zu machen. Gleich darauf folgte in Badcn jcncs wahnwitzige Attentat eines thörichten Knaben-/ es war cine natürliche und gerechte Empfin­dung, daß, als setzt dcr -König nach längerer Abwesenheit in sein Land zurückkehrte, das Volk die Gelegenheit des Kröuungsfcftcs benutzen wollte, um seine Freude über die Rettung dcs gclicbten Herrn recht laut und emmülhig auszudrücken. Diese Freude war um so gerechtfertigter, weil dcr König auch nach einem-solchen Vorfalle, der schon oft die klarsten Gcistcr getrübt hat, seine Bcsonnenhcit und Unbesangcnhcit bewahrte; so daß die Manövers der Krcuzzcitung, welche auch dieses Ercigniß für ihre Zwecke auszubeuten snchtt, wirkungslos zu Boden fielen.

Alle diese Momente wirkten zusammen, nm dem Krönungsfeste eine allgemeine gehobene Feststimmung cntgegenzutragen; in dcm allgemeinen Jnbcl hat man gar nicht einmal beachtet, daß rinter lauter lebendigen Gestalten und unter Vcrtrctcrn von wirklich cxistircntcn Mächten sich in Königsberg auch ein Gespenst der Fürst Earini, als Vertreter dcs früheren Königs von Neapel befunden hat.

Jetzt sind die Fcste vorüber, und wir kehren wieder zu ernsten Geschäften zurück. Das Nächste, was vor uns liegt, sind die Wahlen. Sie werden uns laut genug zu einer nüchternen Betrachtung der Dinge auffordern. Ohnehin ist es ein ganz natürlicher Proceß, daß auf den Raufch dic Nüchternheit folgt. Auf einen allzu heftigen Rausch folgt auch wohl ein Katzenjammer. Ob das bei uns der Fall sein wird? Freund und Feind haben es uns prophezeit. Sie begründen ihre üblen