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Contraste den Schein des Lebens mit dem Tode. Eine bestechende coloristische Wirkung: wie anders aber die großen Meister, die sich begnügten, ihre Gestalten, bis in die Fingerspitzen mit seelenvollem Leben erfüllt, in einem Lichte zu geben, das einfach die Situation mit sich brachte! Hier ist die Beleuchtung ein reflectirter, von außen zugebrachter und deshalb falscher Reiz. —
Wie wir gesehen, vollzog sich die Vermittlung der Gegensätze des Classischen und Romantischen allmälig in der historischen Kunst: es kam darauf an, Menschen in der Bestimmtheit des wirklichen Lebens und zugleich in der Bewegung eines großen Pathos darzustellen, das als der Inhalt ihrer eignen Brust ihre Erscheinung adelte und über das Alltägliche erhob. Indessen ließen sich diese Bedingungen auch in gewöhnlichen Lebenszuständen, in einfachen, aber vollen und ganzen Naturen vereinigt finden, wenn nur der Maler die Gabe hatte, die Menschen in dieser großen Weise zu sehen. Leopold Robert (1795 — 1835), mit einem tiefen Blick für das tüchtige, substantielle Leben, das die Individualität mächtig und ohne Rest bis zum Rande füllt, und daher echt malerisch ist, entdeckte in dem italienischen Volke ein Geschlecht, das sich wol so darstellen ließ: dem Künstler günstig, in seiner äußern Erscheinung, ungebrochen in der Ganzheit eines einfachen, großen Naturlebens, während doch zugleich aus seiner schlichten Weise der Blitz einer tiefen bewegten Seele leuchtete. Schon vor ihm hatten zwei Maler in dem italienischen Volkstreiben verschiedene glückliche Motive gefunden und mit Erfolg behandelt: Claude Bonne so nd (aus der Lyoner Schule) und Victor Schnetz (wie Robert em Schüler Davids). Der Erstere ist über eine ziemlich oberflächliche Auffassung des bloß malerischen Neizes zeitlebens nicht hinausgekommen: dagegen hat der zweite es verstanden, tüchtige, tcrnhasre Menschen in Situationen darzustellen, in denen sich eine tiefere Theilnahme des Gemüths wirksam ausspricht. Schnetz hat sich in diese Naturen so eingelebt, daß auch seine historischen und religiösen Gemälde im Grunde nur Zusammenstellungen von italienischen Typen sind. Indessen war es Robert vorbehalten, den inneren Seelenadel, der aus diesen Gestalten wie verhüllt nur hervordämmert. zur künstlerischen Erscheinung herauszubilden und ihrem gewohnten Thun und Treiben als erhebende, verklärende Folie unterzulegen. Er selbst schreibt einmal einem Freunde, daß es vor Allem sein Ziel sei, ihnen Einfalt und jenen Adel wiederzugeben, der noch immer als ein Zug der Vorfahren dem Volke eigen sei.
Der Entwicklungsgang des Künstlers war schwer und langsam; die Natur hatte ihm den leichten sprudelnden Fluß des Schaffens versagt, und man hat ihn mit Recht als ein fragmentarisches Genie bezeichnet. Aber seine Lausbahn war zugleich ein fortwährender Läutemngsproeeß. Auch auf ihn hatte die Romantik eingewirkt, seine ersten Bilder waren Mord- und Todes-