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Urtheil auch in Deutschland hat unstreitig Louis Blcmc's Geschichte der zehn Jahre ausgeübt. Die lichtvolle Klarheit und Leichtigkeit, mit welcher der Verfasser die verwickeltsten Fragen auch den, ungeübten Verstände deutlich macht, die rücksichtslose Keckheit, mit der Cabinctsintriguen. Hofcabalen. Börsenskandale aufgedeckt und besprochen werden, die Perfidie und Malice, di.e mn, so sicherer trifft, je mehr sie sich gelegentlich unter der Maske der Schonung und des Zweifels zu verstecken weiß, die praktische Tendenz der glänzenden Parteischrist, die so ganz der verbitterten Stimmung der Zeit entsprach, — alle diese Eigenschaften verschafften dem Bnchc bald einen ausgedehnten und begeisterten Kreis von Lesern. Daß die Streiche Louis Blanc's vorzüglich den König, die Bourgeoisie, den ConstitutiiMlismus trafen, war eine große Empfehlung, sowohl in den Augen der Padicaicn, w,i,e d,er Feudalen, die einen nicht unbedeutenden Theil ihres konservativen Rüstzeuges dem revolutionären Historiker entnommen haben. Per rasche Fall der Julimonarchie, zu dem das Buch ohne Zweifel nicht unbedeutend mitgewirkt hat, schien die Ansichten des Verfassers glänzend zu bestätigen.
Sehr dankeiiswerth ist es daher, daß auch der bedeutendste Führer der Gegenpartei seine gewichtige Stimme erhohen hat. Freilich ist Gujzot seiner Stellung nach kein ganz unbefangener Beobachter. Er steht mitten im erbittertsten Parteikcnnpse, ist Jahre lang der Zielpunkt des glühenden Hasses gewesen, eines Hasses, wie ihn nur eine so energische, gebieterische, in sich abgeschlossene Natur erregen kann. So ist es unvermeidlich, daß sein Werk ein.n wesentlich apologetischen Charakter an sich tragen muß. Wir werden daher seine wie alle Memoiren als Geschichtsquelle nur mit Vorsicht benutzen dürfen, indessen doch mit der Zuversicht, daß der Verfasser von absichtlichen Entstellungen sich fern gehalten hat. Denn nicht einen Augenblick bezweifeln Wir, daß Guizot überall von dem Streben geleitet ist, nur die Wahrheit zu schreiben. Mit wohlthuender Offenheit gesteht er vielfach die Fehler seiner Politik ein, mögen dieselben durch eine schemlmr zwingende Macht der Umstände hervorgerufen sein, oder mögen sie als falsche Consequenzen einem an sich richtigen Princip entspringen. Trotz dieser erstrebten Gerechtigkeit und Objektivität kann aber natürlich die Selbstkritik des Staatsmanns nicht maßgebend für die Kritik des Gesichtsforschers sein, dq es. lmmöglich ist, daß in eigner Sache Jemand sich zur Höhe absoluter Unparteilichkeit erhebt. Es kommt noch hinzu, daß Guizot oft aus den achtungswerthesten Beweggründen Rücksichten zu nehmen hat, die einem unumwundenen Aussprechen der vollen, Wahrheit hinderlich sind. Die Differenzen m>t alten Freunden und frühern. College» waren mit Zartheit und Schonung zu berühren. Die Hindernisse, welche die persönliche Politik des Königs gelegcntkch dem Minister bereitete, sind in der Regel nur leise angedeutet, während die Uebereinstimmung mit