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tails und der Erscheinung, andrerseits dem abenteuerlichen Zuge einer der Realität entgegengesetzten Phantasie nachzugehen, um endlich in neuester Zeit bei dem Bilde des gegenwärtigen Lebens zu verweilen: dies zu untersuchen ist hier nicht der Ort. In der Kunst unseres Zeitalters spielt überhaupt der Realismus eine große Rolle; die Geschichte der französischen Malerei wird die Gelegenheit bieten, ausführlich auf dieses Stulpnncip zurückzukommen. Hier nur so viel: wirklich berechtigtes Princip kann derselbe nur in der Bedeutung sein, daß er ideale Stoffe in der Frische und Fülle des unmittelbaren Lebens zur wirksamen, charakteristischen Erscheinung bringt und daß er wirkliche Stoffe zwar in ihrer Naturwahrheit schildert, aber so schildert, daß ihr idealer Gehalt zu Tage kommt oder die Wirklichkeit in die Idealität der Form sich aufhebt. Auf die Darstellung idealer Stoffe hat die moderne französische Poesie im Ganzen verzichtet; sie hält sich fast ausschließlich an das wirkliche Leben, das so ziemlich aller Ideale baar ist. Sie geht darin mit dem Geschmack der Nation überhaupt Hand in Hand. Es ist oben bemerkt, wie sich nur noch in der abenteuerlichen Welt des Geldes und der äemi-mouä^das moderne Leben zu interessanten Verwicklungen und überraschenden Wendungen zuspitzte und wie der Reiz dieses Schauspiels alle Schichten der Gesellschaft anzog. Es ist begreiflich, daß der Dichter vor Allem nach solchen Stoffen langt und insbesondere ist es bei dem angeborenen Hang und Talent des Franzosen für das Theater die Bühne, welche dieselben zur Darstellung bringt.
Daß sich aus diesen Stoffen ein idealer Gehalt einfach deshalb nicht herausstellen läßt, weil sie keinen haben, versteht sich von selbst; die gewöhnliche Schlußmoral, daß das stille bescheidene Glück der Pflichterfüllung und des Familienlebens, die beschänkte Zufriedenheit des honnetten Mannes den Taumel jener Welt überdauere, kann dafür keinen Ersatz bieten. Tiefe, ernste Conflicte zwischen dieser und der sittlichen Welt sind nicht denkbar; denn der Kampf ist einseitig, die Waffen ungleich, die eine kann nur gewinnen, die andere nur verlieren, die Sittlichkeit geht eher in der bedenklichen Umgebung unter als diese zu ihr über, und so läßt sich auch von dieser Seite der Sache kern edles Interesse abgewinnen. Ebensowenig geht dieselbe in die komische Aus« lösung ein: es sind feste, in dein gesellschaftlichen Boden eingewurzelte Be>- hälinisse. die der Dichter schildert, si? haben in das Leben tief eingeschnitten, ihm ihre Form aufgedrückt; sie lassen sich durch die Aufdeckung ihres W>der> spruchs nicht mehr weglachen, und es fehlt dem Gegengliede, der ehrlichen Welt, an der sie zerschellen sollen, die gehörige Härte uud Widerstandskraft- Die stoffliche Schwere läßt die reine Zugluft dxs Humors nicht herein. So ist bei allen diesen dramatischen Versuchen von wirklicher Kunst in keinem S>nn die Rede; auch wird dies, daß die Kreise der Börse und der Äc-mi-monÄL W