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sie will sich dauernd in seine Existenz eingraben und dazu, das hat sie wo! begriffen, muß sie die Erinnerungen seiner Cultur schonen und pflegen. In der Politik mag sie seiner Selbständigkeit Gewalt anthun und das Unterste zu oberst kehren; in der Cultur muß sie umsomehr das Alte schützen, als sie nichts Neues an seine Stelle zu setzen hat. In diesem Falle besonders, da es sich um das Schooßkind der Franzosen, um Paris handelt. Die alten Häuser mögen fallen; die alten Monumente müssen bleiben. Und um ihre Erhaltung hat die Regierung wirkliche Verdienste. Sie befreit dieselben von der häßlichen Hülle, welche Umstände und Zufälle um sie gezogen haben, um sie dem Blick von allen Seiten freizugeben; sie stützt, was den Einbruch droht, stellt wieder her, putzt, wetzt die Scharten, welche die Zeit geschlagen, wieder aus. So sind unter andern Kirchen die Notre-dame und die Sainte-Chapelle, dann das Hotel de ville und Hotel de Saint-Cluny in alter Pracht aus dem Schutt ihrer Umgebung wieder emporgestiegen. Zugleich hat man an geeigneten Punkten für heitere Plätze gesorgt, um dem Verkehr und den Gebäuden Raum zu geben. Dazu bringt man, wo es nur möglich ist, ein Stück Natur, einen Strauch, einen Baum an, um in die Eintönigkeit der Häusermassen eine malerische Abwechslung zu bringen. So thut die Regierung Alles, um die Weltstadt zu einem Ganzen abzurunden, in welchem das Alte ebenso sehr zu seinem vollen Rechte kommt, als es durch die neue Umgebung ergänzt wird. Alle neue Negierungen sind fleißige Baumeister, doch achten sie meistens das Ueberkommen nicht; das Kaiserreich ist klüger, es handelt als Universalerbe aller früheren Dynastien und weiß mit ziemlich viel Geschick ihre Werke zu den seinigen zu Machen.
Minder glücklich indessen sind die Versuche, das Alte mit dem Neuen, das nebenan entstanden' oder entsteht, zu verbinden. Hier zeigt sich die bausche Unfruchtbarkeit der Zeit. Es handelt sich meistens darum, den Uebergang aus einem Styl in den andern zu machen, z. B. die Vermittlung zu bilden Zwischen einem Werk der Gothik und einem Renaissancebau. Ein rohes, ganz äußerliches Aufpappen oder Einschieben eines beliebigen Merkmals des einen ^>tyls auf oder in den Bau des andern: damit glaubt man einen architektonischen Zusammenhang herzustellen. Die Kirche Saint-Germain l'Auxerrois Styl der spätern französischen Gothik, die schon hie und da zu fremden Ornamenten greift, wird mit großem Aufwand wieder hergerichtet; daneben ist die Mairie des ersten Arrondissement fast durchgehends in der reichen Weise der spätern Renaissance aufgeführt. Zwischen beiden Bauten, beide mittelst Gallerien verbindend, erhebt sich ein neuer Thurm, gothisch, verwandter Art w't der Kirche — beiläufig bemerkt, eine Spielerei, die man besser unterlassen hätte; damit sollte nun das moderne Haus des Bürgermeisters architektonisch verbunden werden. Die Aufgabe wurde auf eine unglaublich einfache