108
denden Künsten steigert sie durch freigebigen Aufwand die Production in's Unglaubliche, indem sie bei der wahrhaft fabelhasten Umgestaltung der Hauptstadt vor Allem auf die äußere und innere Pracht der öffentlichen Monumente Bedacht nimmt. Wo nur immer ein Talent sich hervorthut und sich biegsam zeigt, ist sie bei der Hand zu fördern und zu unterstützen, den schweren Weg der Kunst ihm leicht zu machen; sie selbst legt Gewicht darauf, ihren Glanz und ihre Erfolge künstlerisch verherrlicht zu sehen. Bei uns geht manches Talent zu Grunde oder schleppt sich kümmerlich durch, weil sich von keiner Seite auch nur ein Finger ihm bietet, an den es sich halten könnte, und umgekehrt sind die Künstler, welche die Regierungen in ihrem weichen Schvoße pflegen, nicht immer die begabten. Das versteht die französische Regierung besser. Wenn sie auch die Idealität der Kunst nicht hebt, den einzelnen Kräften keine freie Bahn läßt, so weiß sie doch die Talente an sich heranzuziehen und die Fähigkeit durch die Hebel der Uebung, des Wetteifers und des Lohnes zur Fertigkeit auszubilden. Ueberdies pflegt mit einem gewandten Despotismus eine geschickte Centralisation Hand in Hand zu gehen; und daß durch diese die Kunst, wenn auch der Ernst des individuellen Strebens bisweilen unter ihr leiden mag, wenigstens in ihren äußerlichen Bedingungen nur gewinnt, ist eine Erfahrung von altem Datum.
Schon aus diesen Gründen, ganz abgesehen von den Nachwirkungen besserer Zeiten, läßt sich die moderne französische Kunst mit dem Ausdruck Verfall nicht kurzweg abthun. Seit wir in der bildenden Kunst die Kinderschuhe abgetreten haben und den wenigen namhaften Meistern eine Masse von Jüngern gefolgt ist, die das Handwerk jeder auf eigene Faust und in seiner eigenen Manier treiben, wird es nachgerade Mode, die eigenen Pro- ducte zu überschätzen und die fremden gering zu achten. Ein schlimmes Zeichen, da wir Deutsche uns sonst eher des Gegentheils schuldig machen. Auch möchte ich der deutschen Kunst, im Ganzen genommen und einzelne Richtungen abgerechnet, nicht rathen, sich neben die französische zu stellen und auf den Vergleich es ankommen zu lassen. Was sie in eigenthümlicher Weise Großes und Tüchtiges hervorgebracht hat, gehört meistens schon der Vergangenheit an, obwol die Zeit der Production eben erst abgelaufen ist. Der Spur der Meister, die, wenn es auch 'hier und da am Geschick, an der gründlich gebildeten Hand fehlen mochte, doch vom echten Wesen, vom ernsten Sinn der Kunst erfüllt waren, sind Wenige nachgegangen. Zwar hat auch die jüngste Zeit noch einzelne Blüthen, getrieben, aus denen der lebendige Hauch einer echt künstlerischen und zugleich deutschen, ebenso empsindungsvollen als gestaltenden Phantasie den Beschauer anweht — wir erinnern nur an Schwind's sieben Raben —; und noch immer gibt es einzelne tüchtige Künstler, die in der idealen Welt, gebildet durch das Studium der alten Meister, freilich ab-