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Washington.
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muthig, es mangelt ihnen nicht an feiner Gesittung und Bildung, und so machen sie dem sie allenthalben umgebenden bäuerisch ungehobelten Wesen der Uebrigen gegenüber den wohlthuendsten Eindruck auf den Fremden. Diese gute Gesellschaft der Stadt zerfällt wieder in zwei Theile- in einen solchen, welcher allen Gutempsohlenen und distinguirten Personen zugänglich ist, und in einen andern, der es vorzieht, beschränktere Kreise für sich zu bilden. Letzterer besteht meist aus Neuengländern, die weniger schmiegsam in ihrem Charakter und strenger in ihren moralischen Ansprüchen sind als die lebhafteren Südländer, mit denen sie hier in zeitweilige Berührung kommen. Im Winter geben die Familien, welche in Hotels leben, allwöchentlicheHops", kleine Abendunterhaltungen, bei denen Musik und Tanz wechseln, und in welchen den jungen Damen, die in Amerika überhaupt weit selbständiger als bei uns auftreten und in der Regel statt der älteren die Honneurs machen, die Hauptrolle zugetheilt ist. Im Frühling, wenn die Parkanlagen um dasweiße Haus" mit frischein Grün bekleidet sind und die noch schöneren Umgebungen des Capitols ihren bunten Blumenflor zur Schau stellen, spielt an jedem dieser beiden Punkte wöchentlich zwei Mal ein Militärmusikcorps, dessen Klänge die gesammte elegante Welt der Stadt um sich versammeln. Dieselbe strömt in ihrem besten Putz herbei und wandelt in Gruppen zwischen den hübschen Nasenplätzen, Bäumen und Blumenbeeten und um die plätschernden Springbrunnen, deren Marmorbecken mit Goldfischen gefüllt sind, in heiterem Gcplauder auf und nieder.

Jetzt ist selbstverständlich von diesen unmuthigen Zügen in der Physiognomie der amerikanischen Bundeshauptstadt nicht die Nede. Washington sollte jetzt seine stille Zeit haben. Aber der Umschwung der Verhältnisse hat unver- muthct Leben in die Straßen gebracht, wenn auch ein anderes als die Stadt bisher sah. Washington ist aus einem Lager von Politikern zu einem Feld­lager geworden, und sehr wahrscheinlich werden die Parteien, die sich in den letzten Jahren im Capitol so manche heiße Wortschlacht lieferten, hier in der ersten Schlacht mit scharfen Waffen aufeinanderstoßen.

Der Plan der südlichen Ncbcllen scheint dahin gegangen zu sein, die Bundes­stadt von drei Seiten zugleich anzugreifen, von Nichmond, wo die Contingente der Baümwollenstaaten sich mit den virginifchen vereinigten, in der Front, von Har- pers Ferry am obern Potomac in der rechten Flanke, und von Baltimore im Rü­cken. Aber dieser Plan ist jetzt schon zum Theil vereitelt. Zunächst wurde zwar Harpers Ferry, wo nur 50 Mann Unionstruppen standen, von virginifchen Insurgenten genommen, aber nicht eher, als bis die abziehende Besatzung das dortige Arsenal mit sämmtlichen Wassenvorräthcn, auf die es vorzüglich abgesehen war, vollständig zerstört hatte. Ebenso scheiterte der Plan, sich durch Wegnahme der im Gosport Navy Yard bei Norfolk befindlichen Kriegs­schiffe der Union eine Flotte zu verschaffe», indem die Beamten der Vereinigte»