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sofern es auf die Theilnahme desselben an seinen Hauskriegen rechnen kann. In seinem Gebiet ist es völlig souverain, da seine außerordentlich günstige geographische Lage es von den benachbarten Bundesländern völlig unabhängig macht. Am meisten leidet Preußen unter dem Verhältniß, weil seine Lage so zersplittert ist, daß es überall von dem guten Willen seiner Nachbarn abhängt: seiner Nachbarn, auf die es gesetzlich gar keinen Einfluß ausüben und die es dem Bundesgesetz gemäß doch auch nickt als Feinde behandeln kann. So bedürfen namentlich die Beziehungen zu Hannover keiner weiteren Illustration.
Mit dem bloßen Stichwort „Austritt aus dem deutschen Bunde" ist es nicht gethan. Wenn Preußen seine östlichen und westlichen Provinzen aufheben, in die Tasche stecken, und damit nach irgend einer Insel auswandern könnte, so wäre das ganz gut; da es das aber nicht kann, so heißt Austritt aus dem deutschen Bunde ungefähr soviel, als Krieg gegen den deutschen Bund; und das ist unter den obwaltenden Umständen ein Gedanke, mit dem man wol spielen, den man aber nicht ernsthaft in Angriff nehmen kann.
Der gegenwärtige König hat die ganz richtige Form gefunden, in welcher das Verhältniß Preußens zum deutschen Bunde sich reguliren muß: Preußen muß in Deutschland moralische Eroberungen machen. Es verdient aber ernsthafte Ueberlegung, wie man das zu thun hat.
Die Mißverhältnisse zwischen Preußen und dem übrigen Deutschland beruhen nur zum Theil auf Umständen, die nicht geändert werden können. Unter diesen Umständen nimmt die Hanptstelle das Gefühl ein, das alle deutschen Regierungen beseelt, sie haben Preußen zu fürchten. Preußen ist durch seine geographische Lage gezwungen, eine Arrondirung zu wünschen, es bezahlt mehr MUitär als seine Mittel erlauben, und muß daher zugleich den Wunsch hege», sich von dieser Last dadurch zu befreien, daß es vermittelst des Militärs seine geographische Basis zweckmäßiger einrichtet.
Dies Gefühl liegt in der Natur der Sache und kann daher im Wesentlichen nicht geändert werden. Doch kann sehr viel geschehen, um unsere deutschen Mitbürger wenigstens einigermaßen damit zu versöhnen.
Aus diesem Gefühl entspringen nämlich eine Reihe von Vorurtheilen, von denen es gar nicht gleichgiltig ist, ob- man sie sortwuchern läßt oder nicht. Weil Preußen ein „arroganter" Staat ist. hat man das Borurtheil, auch alle Preußen seien arrogant. Das Vorurtheil ist zu allgemein, um bloßes Vorurtheil zu sein. Es richtet sich zunächst gegen die Berliner, wobei denn die Sachsen. Baiern u. s. w. ganz vergessen, daß dieses Vorurtheil gegen Berlin in Preußen ebenso stark ist. als außerhalb Preußen. Berlin besitzt eine so große Menge geistiger und materieller Kräfte, daß es ein rasender Unsinn wäre, ein allgemeines Urtheil auszusprechen: daß aber im Durchschnitt der reisende Berliner jedem Nichtberliner lüstig fällt, das ist eine Thatsache, gegen