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vor den Klöstern bereits tief gesunken wäre. In demselben Maße als ihr irdischer Besitz sich mehrte, verflüchtigte sich der auf das Himmlische gerichtete Sinn, in dem überreichliche» Einkommen lag eine unwiderstehliche Versuchung zum Genuß. Die Armen, welche sich hinter Mauer und Gitter vor den Gefahren der Versuchung zu retten gedachten, sie wußten nicht, daß sie den bedenklichsten Feind ihrer Seligkeit selbst und im eigenen Herzen mit hinter Mauer und Gitter hineingenommen batten, und dieser säumte nicht sich für den Zwang der Gefangenschaft zu entschädigen. Mönche und Nonnen führten hinter den Klostermauern ein gemächliches Dasein, das sich von dem weltlichen nur durch größere Sorglosigkeit unterschied. Ausgelassenheit und Ueppigkeit nisteten sich unter ihnen ein, die alten Ordnungen fielen meist mit der Regel des h. Be- nedict der Vergessenheit anheim und Zanksucht und Unthätigkeit traten an ihre Stelle. So rächte sich die grobe und äußerliche Art, in welcher die Kirche die an den Menschen gestellten sittlichen Forderungen auffaßte, und die innere Unnatur der ganzen Einrichtung brach hervor. Die abgelegten Gelübde, weit entfernt einen reinigenden und läuternden Einfluß zu üben, wurden nicht einmal bloß zur leeren Form, sondern znr bequemen Decke, unter der die frechste Ausgelassenheit um so ungescheuter gedieh, je sichreren Schutz der Schein eines gottgeweihten Lebens gewährte.
Höchst anschaulich ist in dieser Beziehung, was uns Nitber im 3. Buche seiner Geschichte von der Synode erzählt, welche der Erzbischof Adalbero von Nheims im Jahre »72 hielt. Er brachte auf derselben den Verfall der Kloster- zncht zur Sprache, und darauf hin wurde beschlossen, daß die Aebte von verschiedenen Klöstern zusammenkommen und über diesen Gegenstand berathen sollten. Vor diesen läßt sich nun der Erzbischof unter Anderem folgendermaßen aus:
„Es gibt einige unseres Standes, sagt er, welche sich gern öffentlich das Haupt mit einem goldgcschmückten Hute bedecken, welche ausländisches PelZ' werk der von der Regel vorgeschriebenen Kopfbedeckung vorziehen und statt der unscheinbaren Mönchskleidung kostbare Gewänder anlegen. Sie tragen gern um hohen Preis gekaufte Röcke mit weiten Aermeln und großen Falten und ziehen sie um den Leib so fest zusammen, daß die eingeschnürten Hüften den Hinteren hervortreten lassen. Was aber soll ich von ihren abenteuerlichen Schuhen sagen? Denn in dieser Hinsicht sind die Mönche so unvernünftig, daß ihnen der Nutzen einer Fußbekleidung großenteils entgebt. Sie lassen sich nämlich ihre Schuhe so eng machen, daß sie darin fest, wie in den Stock geschlossen, am Gehen gehindert sind. Auch setzen sie denselben vor» Schnäbel, a» beiden Seiten aber Obren an, halten auch ihre Diener daz» an, daß sie mit besonderer Kunst den Schuhen einen spiegelhellen Glanz vci'' leihen. Ihre ausländischen Pelze besetzen sie mit einem breiten Saume.