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Das neue Königreich Italien.
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dem festen Blick eines Soldaten auf sein Ziel losgeht, so eilt ihm Garibaldi mit dem dunklen Instinkt eines Nachtwandlers entgegen. Er hat keinen Sinn für die Umstände; seine Ideen sind ihm die einzige Wirklichkeit. In der Sicherheit dieses nachtwandlerischen Wesens mag er manche Irrthümer be­gangen, manchen verständigen Plan durchkreuzt haben. Und doch wer nicht begreift, durch welchen Zauber dieser Manu die Gemüther beherrscht, wer nicht etwas von der Wirkung dieses Zaubers in sich selber fühlt der werfe seinen Plutarch und seinen Thucydides weg, denn Alles, was er in der Schule von den Griechen und Römern gelernt, ist für ihn eitler Gedächt­nißkram gewesen!

Cavour besitzt diesen Reiz für romantische Gemüther keineswegs; er ist der echte Italiener aus der alten Schule Maehiavelli's. Man pflegt Talleyrand einen großen Diplomaten zu nennen; und er war es für seine Person d. h. er wußte sich das Ansehn zu verschaffen, der klügste Mann Europas zu sein, der Mann, den man am theuersten bezahlen müsse. Was er sonst in der Geschichte durchgesetzt, läßt sich ans eine Nagelspitze schreiben. Hier dagegen sehen wir einen Diplomaten, der mit den kleinsten Mitteln von der Welt die ungeheuersten Dinge durchsetzt und der ohne Hinterhalt die umfassenden Kräfte seines Verstandes einer großen Sache widmet. Er ist nicht nur Diplomat, er füllt alle Zweige der Regierung aus; er leitet nach der Reihe ,die aus< wältigen Angelegenheiten, die innere Verwaltung, die Finanzen, den Handel, den Ackerbau; er ist Alles in Allem. Und seine Seele kennt nur den einen Gedanken, den er seit Jahren mit einer Energie und Ausdauer ohne Gleichen verfolgt.

Jeder dieser drei Männer ist an sich ein Phänomen: daß sie sich aber in einer Zeit und in eiuer Sache zusammenfinden und auf diese wunderbare Art einander ergänzen, ist wahrhaft providentiell. Der Mißklang zwischen Garibaldi und Cavour mag noch so 'groß sein, sie haben beide gezeigt, daß ihr Patriotismus groß genug ist, persönliche Abneigung zu überwinden.

Alle drei sind echte Italiener: ja alle drei sind Type» des italienischen Charakters, wie er sich in jedem Jahrhundert wiederfindet. In wil­deren Zeiten hätten sie sich vielleicht zn unschönen Erscheinungen gestaltet: sie stehen aber alle drei unter dem Einfluß unserer Culturbildung, und sie werden wahrlich der Nachwelt kein schlechtes Bild von derselben überlie­fern. Ja auch Mazzini, den alten eingefleischten Verschwörer, möchten wir in diese Reihe rechnen. Denn auch von ihm ist es keine Kleinig­keit, daß er jetzt keinen Unfug anrichtet; daß er es jetzt, wo die Träume seines Lebens die Träume^ für die er zwanzig oder dreißig Jahre hin­durch bei Tag und Nacht gehungert hat. sich der Verwirklichung nähern, sich völlig bei Seite schieben läßt. Wir halten seinen Repnblikanismus. wir halten

Grm'ibowi I. 1S61. 49