Die gegenwärtige Stimmung des östreichischen Heeres.
Wenn ein französischer Militärschriststeller, Cuturier de Vicnne. sagt, daß Oestreich in seiner Armee seine einzige, aber eine wichtige Stütze habe, so ist dieser Satz nicht unrichtig. Denn wenn auch einzelne Völker, wie die Deutsch-Tiroler, die Ober- und Niederöstreichrr. die Steirer und Andere der herrschenden Dynastie im Allgemeinen zugethan sind, so ist ihre Zahl doch viel zu gering, um den Ausschlag geben zu können. Ueberdieß gilt ihre Anhänglichkeit nur der Herrscherfamilie, und wenn bei ihnen vom Vatcrlande die Rede ist, so verstehen sie darunter immer gewiß nur Kärnthen, Tirol oder sonst eine Provinz, niemals die gesammte Monarchie. Sollte letztere auch ganz in Trümmer gehen, so würden sich die Bewohner der genannten Länder darüber ohne Zweifel nur wenig betrüben, falls sie nur ihr Land zu einem selbständigen Fürstenthum. (mit einem bei ihnen gerade populären Prinzen des kaiserlichen Hauses an der Spitze), umschaffen könnten. Ungarn strebt, offen wie es am Tage liegt, seine völlige Selbständigkeit nn. Venetiens Bewohner betrachten ihre Vereinigung mit dem Sardenreiche schon als halb vollzogene Thatsache. Die Dalmatiner. Südtiroler und Jstrianer ferner werden ihrerseits ebenfalls nicht vergessen haben, daß sie nach Sprache und Sitten, wenn auch nicht nach Abstammung und politischer Eintheilung Italiener sind. Galizien ist zwar bis jetzt noch ziemlich ruhig geblieben, doch fehlt dort nur der Impuls zum Erwachen, und die Elemente zu einer nachhaltigen Erhebung sind zahlreich genug vorhanden. Die Südslawen und die Rumänen blicken in fieberhafter Erwartung nach Serbien und den Donaufürstenthümern und hoffen von dort eine Veränderung ihrer gegenwärtigen Verhältnisse, Es bleiben also nur die deutschen Provinzen übrig, und auch in diesen ist die Lage der Dinge nicht besonders günstig. Schlesien ist zu unbedeutend, und Zudem ist das Volk dort in politischen Fragen durchschnittlich gleichgültig. Die Bewohner Mährens sind bis jetzt eigentlich noch zu keinem nationalen Bewußtsein gekommen und besitzen auch noch gar kein bestimmtes politisches Programm. — wahrscheinlich würden sie sich jedoch im entscheidenden Falle Zu den Böhmen schlagen. Diese Letzteren aber denken gerade in der neueren
, Grenzboten I. 1861. 21