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Der Neujahrstag im alten Rom.
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des kaiserlichen Palastes, wo auch sonst täglich je nach der Leutseligkeit der Kaiser cine größere oder geringere Schaar von Bürgern ihre Ergebenheit bezeigte. Augustus gab selbst dem Niedrigsten persönlich Gehör, aber Claudius und die nächsten Kaiser stellten Visitatoren an, die alle Personen sorgfältig nach verborgenen Mordgewchren durchsuchten, bis Vespasian diesen handgreif­lichen Mißtrauensbcweisen ein Ziel sehte. Die Besuche am Morgen des ersten Januars zeichneten sich übrigens alle durch eine auffallende Flüchtig­keit und Kürze aus. Man durfte seine Gönner und Bekannte nicht davon abhalten und wollte es auch selbst nicht versäumen, die ersten Beamten der Republik und dem Scheine nach auch der Kaiserzeit, die Konsuln, zu beglück­wünschen, welche, wie schon erwähnt, seit 153 v. Chr. am Neujahrstag ihr Amt antraten. Bor ihren Häusern warteten in der Frühe die Senatoren und Ritter, um eingelassen zu werden, das Volk, um sich der feierlichen Pro­cession nach dem Capitale anzuschließen. Man muß hinsichtlich dieses Fest­zuges die Zeit vor und nach dem zweiten Jahrhundert christlicher Zeit­rechnung wol unterscheiden. Während der Republik und unter den ersten Kaisern waren die Ceremonien noch einfach. Der neue Consul begann den Tag mit Gebet und Beobachtung vedeutungskräftigcr Vorzeichen, wozu be­sonders das gierige oder langsame Fressen junger Hühner-gedient zu haben, scheint. Doch hatte er nicht nöthig, dieselben vorher aushungern zu lassen oder nach dem Beispiele eines rationalistischen Feldherrn im ersten punischen Kriege zu verfahren, der sie mit den Worten, sie.möchten trinken, wenn sie nicht fressen wollten, ins Wasser warf; denn es ist kein Fall bekannt, wo ein ungünstiges Vorzeichen den Amtsantritt ausgehoben hätte. Nachdem der Religion Genüge geschehen war. legte er das Amtsklcid der höhern Ma­gistrate, die faltenreiche, mit einem breiten Purpurstreifen verbrämte Toga vor dem Altare seiner Hausgötter an und ließ die Thüren des Atriums (des großen Familienzimmers. Salons) der harrenden Menge der Besucher öffnen, um die freundlichen Worte und Küsse in Empfang zu nehmen. Natürlich war es hiebei für Sejan. den anmaßenden Günstling Tibers ein böses Omen, daß sein Sessel durch den ungestümen Andrang der servilen Menge in Stücke ging, sowie daß beim Beginn des Zuges cine geängstigte Katze ihm über den Weg lief! Nach der Gratulationsaufwartung scheint sich die Procession in der Weise geordnet zu haben, daß die Ritter, geschmückt mit einer purpurn und weiß gestreiften kürzern Toga (der Trabea) und durch die vom Halse bis zum Saume am Unterkleide, der Tunica, hinablaufenden schmälern Pur­purlinien sich von den Senatoren unterscheidend, den Zug eröffneten. Wahr­scheinlich folgte dann das Opferthier, ein weißes, fleckenloses Rind, mit Lor- ucerkrünzen, vergoldeten Hörnern, und purpurnen Binden geschmückt. Es Wurde gewöhnlich von den fetten Weiden am Flusse Clitumnus geholt,

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