388
beanspruchen dürfe, und doch erkennt er überall die größte Verkümmerung in einem schwer erträglichen Philisterthum. Da er nun keinem der bestehenden deutschen Staaten die Lebenskraft zutraut, solche verkrüppelte Zustände zu überwinden, wo leben denn wohl die Männer des Volkes, vor deren Kraft sich die Souveräne beugen sollen? In seinem Lande wenigstens scheinen keine solchen vorhanden zu sein. So gleicht dieser Schatten eines Fürsten trotz seiner demokratischen Vorliebe doch auf ein Haar andern Fürstengcstalten der Wirklichkeit, welche mit ihrer Bildung auf einer jetzt untergehenden Zeit ruhen, und welche voll romantischer Gelüste ihr Bedürfniß nach großen Empfindungen dadurch befriedigen, daß sie Vermodertes aus dem Staube alter Jahrhunderte wieder lebendig machen wollen.
Schon in dem, was der Fürst des Buches sagt, ist nicht immer dre wün- schenswcrthe Confequenz; er findet lächerlich, daß die deutschen Souveräne durch das Schreckbild der Revolution sich borniren lassen, aber in der erwähnten Vision kann er doch nicht umhin, eine sehr unheimliche Perspective auf ein Henkerbeil, zu eröffnen. Schmerzlicher aber wirkt der Umstand, daß er selbst zu handeln gar nicht versteht. Ihm tritt ein fester, tüchtiger Offizier gegenüber, der um Erlaubniß bittet, auswandern zu dürfen, weil ihm die Luft im Lande zu enge wird. Zu gleicher Zeit haben ihm die Minister viel von Gährungen und Aufsätziichkeiten in einzelnen Landestheilen geklagt. Der Fürst will ihnen beweisen, daß er von seinem Volke nichts zu besorgen hat. Er verfaßt also selbst eine aufregende Rede und trägt dem unabhängigen Charakter auf, dieselbe auswendig zu lernen und in einer Volksversammlung jener unruhigen Gegend zu halten. Der Charakter läßt sich auch zu diesem unehrenhaften und kindischen Experiment gebrauchen u. s. w. Einigen unserer Leser aber wird der Umstand wehe thun, daß der Fürst in eifriger Rede gegen das Vielregieren der Polizei von seinem Fenster aus auf einen armen Teufel von Bürger zeigt, der mit der Pfeife im Munde scheu und furchtsam über die Straße geht, weil das Rauchen bei zwei Thalern Strafe verboten ist. Nun beim Zeus! wenn er Fürst und Gebieter des Landes ist. warum hat er nicht das Rauchen frei gegeben? Dies wenigstens stand doch in seiner Macht. — Merkwürdig ist auch, wie er sein Volk allmälig zu freieren Lebensformen erziehen will. Nicht zunächst durch bessere Gesetze, — sein Staat hat bereits constitutiouelle Formen — nein seine Minister sollen die neuen Freiheiten erst „factisch eintreten und so durch den Gebrauch die alten Gesetze aboliren lassen". — Was soll das für eine» Zustand geben, wenn wichtige Gesetze unter der Hand außer Cours gesetzt werden? was soll die Justiz dazu sagen? und wje können Minister neue Freiheiten factisch eintreten lassen, außer aus dem Wege des Gesetzes?! —
So legt der Leser das Werk unbefriedigt aus der Hand. Er vermag