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verdummten und verwilderten Völker. Wir würden uns freuen, wenn die Minister Sr. Königlichen Hoheit so viel protestantischen Sinn und so viel liberale Würmc hätten, daß ihnen die altheidnischen Greuel am Feste des heiligen Januarius und der heiligen Rosalie lebhaften Widerwillen einflößten, und daß ihnen die Handhabung der Rechtspflege im Mvrtara-Fall und in den Kerkern Neapels als schändlich und ruchlos erschienen wäre. Aber, wie gesagt, auf die Kälte und Wärme der Empfindung kommt es für den preußischen Politiker bei den großen italienischen Fragen gar nicht an. Er hat keine Verpflichtung, in Italien politische Moral zu predigen, ja er hat vielleicht gar kein Recht, den Italienern seine Moral, die ihm aus. ganz anderen Culturverhältnissen erblüht ist, aufzudrängen. Er hat den dortigen Kampf zu betrachten, etwa wie ein Naturereignis;, und nur zu fragen: welcher Nutzen oder Schaden kann hieraus für Preußen kommen? Die Antwort auf diese Frage, kalt und unbefangen gestellt, darf keinen Augenblick zweifelhaft sein. Preuße» ist in seinem Wesen ein protestantischer Staat, seine ältesten und gefährlichsten Gegner sind Frankreich, Oestreich und die römische Hierarchie, sie, der Alp aller deutschen Konfessionen, zumeist des Katholicismus selbst. Eine Bewegung, welche dem Papstthum die Wurzeln seiner hierarchischen Existenz abschneidet, eine Bewegung, welche das Ziel hat, das alte Jagdgebiet von Frankreich und Oestreich in einen großen Staat umzugestalten, der die Interessen von 20 bis 25 Millionen Menschen umfaßt, eine solche Bewegung war, moralisch oder nicht, lcgitimistisch oder republikanisch, so sehr im höchsten Interesse Preußens, daß sie vielleicht auf die warmen Sympathien der Regierung, in jedem Falle ans ein stilles wohlgeneigtes Urtheil zu rechnen hatte.
Aber diese Bewegung trat zugleich als eine französische auf, unedel, abenteuerlich erkaufte sich die sardinische Negierung die eigennützige Hilfe eines Stärkern durch Abtretung ihrer ältesten Territorien; und grade diese Abtretung hat die Spannung zwischen Frankreich und Preußen hervorgerufen, sie hat in uuerhörtcr Weise alte Verträge verletzt, die Existenz der Schweiz gefährdet, einer frechen Willkür momentaner Macht Thor und Thür geöffnet. Nun wir meinen, ein Preuße sollte auf solchen Einwurf antworten: Um so besser für uns. Denn die Freundschaft zwischen Sardinien und Frankreich, welche durch so unerhörte Verletzung der italienischen und europäischen Interessen zusammengekittet wurde, hat eine sehr unsichere Grundlage. Daß Sardinien nicht ohne einen Beisatz von Unehre zu so großer Erhebung kommen konnte, gibt diesen Staat bei geschickter Behandlung in unsere Hand. Daß Napoleon die größte Thorheit seines Lebens beging, als er Savoyen und Nizza annahm, legt uns einen Hebel in die Hand, womit wir seinen Einfluß in Italien zu lockern, einst vielleicht in die Luft zu schleudern haben. Daß aber die Wunde Savoyen und Nizza durch ganz