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Bon der preußischen Grenze.
Da die spanischen Angelegenheiten in der Regel von den Zeitungslesern überschlagen werden, so ist es vielleicht nicht unangemessen, hier die Aufmerksamkeit auf eine Aeußerung des Marschall O'Donnell zu lenken, eines der vernünftigsten Männer, welche die neuere Geschichte Spaniens ans Licht gezogen hat. Die Ultramontanen haben ihn nümlich heftig angegriffen, weil er nicht zu Gunsten des heiligen Vaters energischer gegen die piemontesische Regierung auftritt. Darauf hat der Marschall bemerkt, Spanien habe geschwiegen, weil man bei der jetzigen Lage Europas nicht wissen könne, ob die Freunde von heute nicht die Feinde von morgen sein könnten.
Diese Aeußerung verdient auch von andern Staatsmännern sorgfältig erwogen zu werden. Die Art und Weise, wie die piemontesische Regierung ihre Zwecke durchsetzt, hat mehrfachen Tadel gefunden, und auch wir sind keineswegs gemeint, für die Correctheit derselben einzutreten; es hätte Vieles artiger und schicklicher gethan werden können. Aber einen Tadel, den man auch häusig vernimmt, finden wir bodenlos lächerlich: den Tadel nämlich, daß Sardinien sich der französischen Politik in die Arme wirft. Wem soll es sich denn in die Arme werfen? Die Unterwürfigkeit Sardiniens gegen Frankreich wird einzig und allein durch die Haltung der übrigen Mächte mit Ausnahme Englands veranlaßt, und Niemand kann sie mit größerer Bitterkeit empfinden, als die piemontesische Regierung selbst. Nach den Vorfällen vor Gaeta kann Niemand daran zweifeln, daß wenn es einmal zu einer ernsthaften Koalition gegen Frankreich kommen soll, das Königreich Italien in derselben eine nicht unbedeutende Rolle spielen wird.
Ganz Europa hat das dringende Bedürfniß, daß die bisherigen faulen Zustände in Italien aufhören: denn durch sie wurde Italien ein Heerd der Revolution und ein Schauplatz der Rivalität zwischen Oestreich und Frankreich. Ein starkes Königreich Italien ist im mittelländischen Meer der natürliche Gegner Frankreichs und der natürliche Bundesgenosse Deutschlands; denn sobald Italien den Umfang erreicht hat, den es wenigstens zu wünschen berechtigt ist. gibt es keine Veranlassung mehr, welche euren Conflict zwischen beiden Nationen herbeiführen könnte.
Wo aber ein allgemeines Bedürfniß vorliegt, muß man schon über die Jncorrectheit des Weges, der zu der Befriedigung derselben führt, ein Auge zudrücken. Wenn diejenigen, welche den lebhaften Wunsch hegen, daß Italien
Grenzl'otcii IV. 1860. 35