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Bilder aus Altbayern. 3.
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kommen. Zufällig sich Nahende werden angehalten und müssen entweder um kehren »der ruhig den Verlauf der Execution mit abwarten. Die Theilnehmer am Gericht sind alle mehr oder minder vermummt und haben die Gesichter mit Nuß geschwärzt.

Glaubt man sich gegen einen Ueberfall gesichert, so beginnt das Gericht. Der Schuldige wird geweckt. Man ruft ihm zu, sich anzukleiden, das Viel) im Stall anzubinden und ans Fenster zu kommen, bei Lebenöstrafe aber niebt vor die Thür zu treten. Dann werden die Versammelten von einem der Meifttr verlesen und zwar stets unter falschen Namen und Würden, als z. B.der gestrenge Herr Landrichter von Tcgcrnsee, der hvchwürdige Herr Pfarrer von Gmund" und so meist solche Personen, deren Anwesenheit ihrer Stellung oder ihrer Entfernung vom Orte wegen am wenigsten vorauszusetzen ist. Auch der bayerische Hiesel (der Schinderhamms des bajuvarischen Stammes) wird ge­wöhnlich mit ausgerufen. Fehlt auch nur eine der verlesenen Personen oder antwortet sie nicht sofort mit einem lautenHier!" so entweichen alle unver- richteter Dinge. Nach dem Volksglauben ist stets Einer mehr am Platz, als verlesen werden, und zwar ist dies niemand geringeres als der böse Feind.

Ist die Verlesung zu Ende, so tritt in die Mitte des Vierecks, von einem Andern mit einer Laterne begleitet, einer der Theilnehmer des Gerichts, um so laut als er irgend vermag ein in Knittelreune gebrachtes Register vorzutragen, welches die einzelnen Schandthaten des Delinquenten enthält. Nach jeder Strophe erhebt die ganze Versammlung, je nach dem Inhalt derselben, ein furchtbares Geheul oder Gelächter und begleitet dies mit einer Katzenmusik der entsetzlichsten Art, bei der Handmühlcn, Kuhschellen, Trommeln, Ketten und sogenannte Carsreitags-Ratschen als Instrumente dienen. Mit der Absingung des gereimten Sündenregisters ist dem Volksunwillen ge­nügt und das Gericht beendigt. Ein Pfiff des Anführers, die Laternen erlöschen und die Schaar zertheilt sich »ach allen vier Winden, ohne eine Spur von sich zurückzulassen.

Bis jetzt haben noch alle Untersuchungen ergeben, daß die Handhabung dieses Volksgerichts immer ohne Schädigung des betreffenden armen Sünders an Leib und Gut abging. Wird an letzterem durch Zufall etwas zerstört, so leisten die Haberfeldtreiber auf heimlichen Wege vollen Ersatz dafür. Für mitgenommene Bretter und Pfähle legten sie Geld an Ort und Stelle, für eine zerbrochene Scheibe warfen sie einen in Papier gewickelten Zwanziger zum Fenster hinein. Der Bund sorgt aber auch dafür, daß seine Mitglieder kei­nen Schaden leiden, und als die Gemeinden Sachsenkam und Gmund von der Behörde mit 50 Gulden belegt wurden, weil in ihnen getrieben worden, erhielten sie die Summe von unbekannter Hand noch vor Erlegung derselben zugestellt.