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Bilder aus Altbayern. 2.
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Gebilden die Schicksale des nächsten Jahres: aus einem Thurm eine Heirath in die Stadt, aus einem Kreuz den Tod, aus geflammten Zacken einen Haus­brand. In der Christnacht redet das Vieh unter sich von der Zukunft, und ein Sonntagskind möchte es verstehn. Der Christbaum und die Weihnachts- bescheerung sind auf dem Lande vollkommen unbekannt, wogegen sie in Mün­chen, namentlich in den höheren Ständen, seit den Tagen der Königin Karo- line eingeführt worden sind. Eine Weihnachtsspcise ist das aus Brvdtcig und gedörrtem Obst gebackene Kictzenbrod, welches die Mädchen am Stcphanstag ihren Liebhabern verehren, wenn sie des Abends zu ihnensensterln" kom­men, und welches hier die Stelle des sächsischen Weihnachtsstollen vertritt. Wahrscheinlich liegt hier ein Zusammenhang mit altheiligcn Festbroden vor; denn mißrüth das Kictzenbrod, so bangt die Hausfrau für ihr Leben.'

Am dritten Weihnachtsfeiertag, der dem Evangelisten Johannes gewidmet ist, wird in der Kirche in einem besonders dazu bestimmten Becher der gan­zen Gemeinde der Johannessegen zu trinken gereicht, auch wird an diesem Tage der Wein für die Johannesminne gereicht, welche bei den Trauungen die Brautleute zu trinken Pflegen, nnd viele Bauern lassen sich noch zum Pri­vatgebrauch Wein weihen, den sie dann während des Jahres bei Erkrankun­gen als Arznei und vor dem Antritt von Reisen als inneres Schutzmittel ge­gen Gefahr genießen.

Den 28. December, den Tag der unschuldigen Kindlein, bezeichnet in den an Schwaben grenzenden Strichen eine eigenthümliche Sitte alemannischen Ursprungs. Da ziehn die Bursche zu Dutzenden und Zwanzigen im Dorfe umher, um ihre Mädchen zukindeln", d. h. sie mit langen Ruthen zärtlich zu peitschen, wobei sie fragen:Ist der Lebzelten raß?" Für diese seltsame Zärtlichkeit erhalten sie von den Gegenständen derselben Lebkuchen, Klctzen- brot und einen Schluck Branntwein. Auch Kinder gehn umher, um sich von den Erwachsenen solche Gaben zu erpeitschen. Die Sitte ist übrigens alt und mag mit dem Gebrauch in der Umgegend von Leipzig verglichen werden, nach welchem die Kinder am Aschermittwoch mit Tannenzweigen durch die Dörfer laufen, um Bekannte und Unbekannte damit zu peitschen, ihnendie Asche abzukehren," wofür sie ein kleines Geldgescheuk erhalten.

Wir schließen diese Auszüge aus dem altbayerischen Bauernkalendcr mit den fünf bösen Tagen des Jahres. Der 30. Juli und der 29. August sind Schwendtage," an denen man zur Vermeidung von Schaden nichts Neues und Wichtiges beginnen darf. Der erste April.und ebenso der erste August und December gelten für Unglückstnge. Wer an diesen Tagen geboren ist, stirbt früh eines bösen Todes, wer an ihnen zur Ader lassen wollte, würde binnen Wochensrist sterben. Und das ist ganz natürlich; denn am ersten April ist Judas, der Berräther geboren, am ersten August der Teufel vom Himmel