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Ein Bild aus Irland.
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trug. Sie verfolgte mich straßenlang mit ihrem Korb und ihrem Geschrei. Limericker Spitzen, Limericker Salme und Limericker Handschuhe sind die drei Artikel dieser Stadt, namentlich die Handschuhe; sie sind von Ruf und Re­nommee durch ganz Jrrland.

Handschuhe waren aber auf dem Sonnabendmarkt der irischen Stadt nicht Zu finden; man colportirt sie mir in den besseren Straßen der englischen Stadt, wo die Dinge, die man anfaßt, ein Weniges reinlicher sind. Dagegen trieben sich Knaben in ganzen Hausen herum, welche mit Liederbogen handelten. Hier ist der Markt für die Straßenballade; hier ist das Volk, das sie kauft und leidenschaftlich liebt. Ob sie diese Verse singen, weiß ich nicht; ich glaube es nicht einmal. Aber kein Bauer kehrt vom Sonnabendmarkt in seine Lehm­hütte zurück, ohne ein neues Blatt zu den übrigen, die ihren Platz neben dem Gesangbuch und dem Katechismus einnehmen, hinzuzufügen. Die Straßen- ballade ist der letzte Nest und Ausläufer der irischen Volkspoesie in Irland; sie ist, in ihrer rohen Form und in ihren gemeinen Wendungen, voll von den letzten Ausbrüchen einer einst in ihrer Liebe und ihrem Haß leidenschaftlich schö­nen Natur, das Einzige, was der gemeine Mann des Westens liest, so weit er überhaupt lesen kann. Eine traurige Literatur ist es, interessant für den Forscher, aber von den schädlichsten Wirkungen für das Volk, dessen hoffnungs­losen Zorn sie nährt, anstatt zur Versöhnung hinüberzuleiten. Die Klänge von Moore's sanften Melodieen berühren die Grenze dieses Gebietes nicht mehr; sie leben nur in den Gegenden, wo englische Cultur im Uebergewicht ist, oder wo englische Reisende sie durch häusigen Besuch verbreitet haben. Hier, im ganzen Westen, durch Connaught bis nach Ulster hinauf, herrscht neben den Ueb.erresten des süßen altirischen Volksgcsangs, welcher in manch' einer Hütte der Haide noch lebt, und ucben den Erzählungen von Fin Mac Cul und seinen Helden, welche manch' ein Schäfer im einsamen Gcbirg noch wiederholt, die Straßenballade. Sie ist fast ausnahmslos von eiucm dunkeln, verwilderten und rohen Charakter; aber auch in ihren schlechtesten Mustern lebt noch ein schwacher Schinnner der ursprünglich so reich begabten Dichternatur dieses Volkes, und nickt selten springt uns ein Funke entgegen, heiß und glänzend genug, um das Herz auf einmal zu entzünden. Es wird ein sehr bedeutendes Geschäft mit diesen Erzeugnissen der Strahcnmuse getrieben; es lebt eine Classe von Menschen in den Städten Irlands davon, sie zu verfassen, zu drucken und zu verbreite»; und es ist rührend genug zu sehn, wie dieses Volk, indem es im großen Strome dcr englischen Uebermacht untergeht, sich zuletzt noch an den äußersten Zweigen des Baumes festzuhalten sucht, dessen prächtige Krone einst, in vergangenen Tagen, sein Stolz und seine Herrlichkeit gewesen. Die Balladenjungcn ließen sich durch das Gespräch, das ich mit dem Fisch- wcibe gehabt, nicht abschrecken; und Dank ihrem Eifer habe ich eine ganze