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vor einem polnischen Aufstand in Anschlag bringen will, den man durch eine legi- timistische Allianz beseitigen möchtc. Dic positive Hilft, die wir von Nußland in einem Krieg gegen Frankreich zu erwarten habe», ist nicht der Rede werth, und im Fall eines nachthciligcn Ausgangs würde Nußland sich beeilen, einen nencn Tilsitcr Frieden zu schließen. —
Wie es mit Oestreich steht, brauchen wir der Welt nicht zu verrathen. Die Einberufung des verstärkten Ncichsrctths ist eins der wichtigsten Ereignisse unserer Tage l nicht wegen dessen, was er gethan — er hat eben nichts gethan — sondern wegen dessen, was er enthüllt hat. Bisher konnte man die Beurtheilung der östreichischen Znstünde dem bösen Willen übelgesinnter Literatcn in dic Schuhe schieben; jetzt haben dic Notabcln Oestreichs gesprochen, vom Kaiser selbst aus den vornehmsten Männern aller Provinzen erlesen. Obgleich sie die Wunden des Staats mit sehr zarter Hand berührt, obgleich sie auf die schlimmsten Schäden gar nicht hingewiesen haben, sind doch die Resultate dieser Besprechung erschreckend. Es hat sich ein sehr erhcblichcs laufendes Deficit herausgestellt; alle Stimmen sind darüber einig, daß die Deckung desselben dnrch Erhöhung der Steuern nicht bewerkstelligt werden könne, und was an den Ausgaben des Staats erspart werden soll, darüber hat kein Einziger einen Vorschlag gemacht. Die einzige Ersparnis? von Wichtigkeit wäre eine Neductivu der Armee, diese kommt aber nicht in Frage, weil Oestreich viel stärkern Feinden als im vorigen Jahr gegenüber steht. Vor einem Staatsbaukrott haben alle Stimmen ihren Abscheu ausgesprochen; es ist möglich, daß er dennoch erfolgt, da Oestreich in dieser Bezichuug uichtS mehr zu verlieren hat. Aber auch ein Staatsbankrott würde nur eine vorübergehende Linderung herbeiführen und, gleichviel ol> mit oder ohne Grund, dic Unzufriedenheit dcs Volks nur noch steigern. Eine Anleihe kann Oestreich nicht machen, denn es erhält auch für dic lächerlichsten Wuchcizinsen kein Geld mehr. Von seinem Volk kann es keine weiteren Opfer erwarten, als dic es erzwingt, denn wenn die Oestreichs in nichts andcrm einig sind, so sind sie doch einig im Haß dcs gegenwärtigen Systems.
In dieser Beziehung hat der Rcichsrath nicht den mindesten Zweifel übrig gelassen. Alle Nationen, Deutsche, Böhmen, Ungarn, Kroaten, Polen, Rumänen — wer kennt dic Völker, nennt dic Namcn! — alle Stände, Fürsten, Grafen, Kardinäle, Beamte, Bürger, ja, was dem Ganzen die Krone aufsetzt, die Minister selbst sind vollkommen darüber einig, daß auf die Weise, wie bis jetzt regiert worden ist, unmöglich weitcr regiert werden kann.
Wie soll denn regiert wcrdcn? — Dic Ministcr sclbst wisscn es nicht; wüßten sie es, so hätten sie den Reichsrath nicht einberufen; der Rcichsrath soll ihnen rathen, was sie thnn sollen: sie selbst haben auch nicht die kleinste Andeutung darüber gegeben, was sie etwa thun können oder thun wollen. In dieser Beziehung stchts mit Oestreich ganz wie mit Frankreich im Jahr 1788.
Der Rcichsrath hat verschiedene Gutachten abgegeben, von denen nur das der Ungarn und das dcs Sachsen Maager von Bedeutung sind. Denn das sogenannte Minoritütsvotum spricht sich zwar gcgen^cinzclnc unzweifelhafte Uebclständc, es spricht sich gegen dic Minister und gegen dic Ungarn, gegen Centralisation und gegen Föderation aus; cs ist höchst wohlmeinend uud freimüthig, liberal und loyal: aber wcnn die Minister wirklich etwas daraus lernen wollen, so müssen sie neben den gewöhnlichen fünf Sinnen noch einen sechsten haben. Was die Majorität betrifft,