Beitrag 
Neue Literatur der deutschen Alterthumswissenschaft.
Seite
73
Einzelbild herunterladen
 

73

von der Besorgnis; ist, daß ihn, der alte Christenteufel über die Schulter auf das Papier schauen könnte. Ein gutes Register erleichtert den Gebrauch des Buches. Wer jetzt nach so mancher Sammlung von Volksaberglauben eine' wissenschaftliche Verarbeitung des inassenhnften Materials unternähme, der würde die Aufgabe haben, dasselbe zunächst nach den mythologischen Vor­stellungen zu ordnen, welche dem Volksbrauch zu Grunde liegen, uud die weit schwierigere Aufgabe, den ursprünglichen Sinn des sinnlosen Brauchs nach­zuweisen, so weit unser Wissen reicht. Bei manchem Aberglauben ist es frei­lich unmöglich, auch nur nachzuweisen, in welcher Nation uud unter welchen Culturverhältnissen er zuerst entsprang. Einige Traditionen sind so uralt, daß sie vielleicht das älteste sind, was die Menschheit an geistiger Habe besitzt, anderes hat sich in irgend einer Vorzeit aus einem Volk in das andere gewälzt, fast jedes Culturvolk hat als letzten Niederschlag seines Erdenlebens seinen Aberglauben den nachfolgende» Völkern zurückgelassen, Einzelnes scheint von Babyloniern, Phöniziern, Aegyptcrn, Griechen, Römern und Germanen mit einer gewissen Naturnothwendigkeit übereinstimmend erfunden. Alis jedem Gebiet menschlicher Interessen ist unser Aberglaube hervorgegangen, überall, wo der Mensch zu scheuen und zu ehren hatte, wnchs er herauf, aus altem Recht, alter Heilkunst, kindlicher Naturbettachtung, aus der gemeinsamen Quelle von alle dem, aus der Scheu und Sorge um das Göttliche. Noch hat die Wissenschaft an das große Chaos des Stoffes nicht so kräftig die bildende Hand gelegt, als zu wünschen wäre.

Isländische Volkssageu der Gegenwart von Dr. Konrad Maurer. Leipzig l8K0. Hinrichs'sche Buchhandlung.

Eine hochwillkommene Arbeit und des besten Dankes werth. Der Heraus­geber hat selbst nach dem Munde der Isländer, mehreres nach ihren schrift­lichen Aufzeichnungen gesammelt mit vollem Verständniß für die Wichtigkeit der isländischen Sagen. Die mythologischen und sagenhaften Erinnerungen der Isländer sind aus mehreren Gründen vorzugsweise lehrreich. Erstens war anzunehmen, daß sich in der Heimath der Eddalieder noch vieles Wichtige des Götterglaubens wie der Heldensage erhalten habe. Diese Hoffnung ist nur zum Theil erfüllt. Die alten Göttcrgestalten sind fast mehr verdämmert, als in Deutschland selbst, auch die spätern Umbildungen der Heldensage geben wenig nenen Aufschluß. Ferner aber war eine Aufklärung wünschenswert!) über das Verhältniß des skandinavischen Gött^erglaubens zu dem der deutschen Stämme. Zwar wußte man, daß die Grundgestalten hier wie dort dieselben sind, daß zahlreiche Einzelnheiten in beiden Gebieten der germanischen Mythologie einander vollständig entsprechen, aber es war noch ein sehr großer Unterschied zwischen der Göttcrwelt, welche sich um den nordischen Odin gruppirte und zwischen den weniger erhabenen, aber behaglicheren Gebilden der deutschen

Grenjl-oten IV. 1860, 10