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kurze Geschichte der germanischen Mythologie, der Glaube der Vcda's und die Erinnerungen an jene Urzeit, welche in den deutschen Mythen enthalten sind; die Auswanderung der Germanen nach Europa und die ältesten Bildungen des einheimischen Götterglaubens, Endlich die Darstellung der einzelnen Mythen nach den erhaltenen Ueberlieferungen und der Nachweis ihres innern Zusammenhangs, jedem Mythenkreise sind die entsprechenden Vorstellungen des germanischen Nordens als Ergänzung und Gegensatz zugefügt. Mit Recht hebt Mannhardt als Gegensatz zwischen germanischer und nordischer Mythologie hervor, daß die nordischen Eddalieder uns vorzugsweise die Mythenbildungen überliefern, wie sie im Kreise der Krieger, Priester und Sänger lebendig waren, während die zahllosen kleinen Reste, welche in Deutschland erhalten sind, zumeist aus dem Glauben der untern Volkskrcise stammen. Vieles wurde durch seine Unschcinbarkcit bis zur Gegenwart vor dem Untergange bewahrt, noch Mehreres ist in den letzten Jahrhunderten verloren worden. Denn bis zur Reformation waren die Erinnerungen und Bräuche aus dem deutschen Heidcnthum noch unvergleichlich mächtiger als jetzt; es ist nichts interessanter, als in der Persönlichkeit des großen Reformators selbst diesen Erinnerungen nachzugehn. In diesem Repräsentanten des deutschen Volks- gcmüths steckt hinter dem frommen Mönch und bibelfesten Schriftgelehrten noch viel volksmäßiger Heidenglaube, in seinen Vorstellungen vom Teufel, vom Weitende mischt sich Biblisch-christliches seltsam mit uralten heidnischen Anschauungen, und die letztern kommen um so reichlicher zu Tage, je unbefangener und behaglicher er sich gehn läßt, am meisten in seinen Tischreden. Es lohnt sehr, das mit Liebe und genügendem Wissen zusammenzustellen.
Der Aberglaube des Mittelalters von Dr. Heinrich Bruno Schindler. Breslau 1 858. W. G. Korn.
Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart von Dr. Adolf Wuttke. Hamburg 1 860. Agentur des Rauhen Hauses.
Das erstere Buch ist das Resultat fleißiger Lectüre eines Dilettanten, es enthält eine Fülle schätzenswerthcr Lesefrüchte, nicht übermäßig geordnet, zuweilen durch feine Betrachtungen verbunden. Die wissenschaftliche Benutzung des Buches wird dadurch beeinträchtigt, daß der Verfasser selten die Quelle angibt, aus welcher er die einzelnen Mittheilungen genommen hat, und daß er mit der deutschen Alterthumswissenschaft nicht sattsam vertraut ist. Das zweite Werk wurde durch den Centralausschuß für innere Missionen veranlaßt, welcher von seinen Gesinnungsgenossen durch ganz Deutschland Mittheilungen über den heidnischen Aberglauben in unserm Volksleben einzog. Leider ist der Herausgeber ein gläubiger Theologe und deshalb die wissenschaftliche Unbefangenheit nicht vorhanden. Es ist für einen Ehrenmann unbequem, über unsern alten Volksteufel zu refenren, ttienn der Schreiber selbst nicht ganz frei