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Aber die Beweisführung der Stände überzeugte keinen, und die vorgeschlagne Verfassung wurde allenthalben für unausführbar gehalten. Der Vorschlag der holsteinischen Stände war das äußerste gewesen, wozu man sich in deutschen Kreisen hatte versteh« können. Sie wurden damit von der Regierung abgewiesen. Es folgten die Novemberpatente, welche die Gesammtstaatsver- fafsung für die beiden zum deutschen Bund gehörigen Herzogthümer aufhoben — eine Maßregel, die für die letztern und zugleich für Schleswig nickt ohne Gefahren war. Man hatte nun zu fürchten, daß die Regierung den Rumpf des Reichsraths als Werkzeug gegen Holstein und Lauenburg benuyen, und daß dessen Beschlüsse in Gestalt von Ministerialrescripten diesen Hcrzogthümcrn aufgedrungen werden würden, während Schleswig nach dem Ausscheiden Holsteins und Lanenburgs aus dem Bereich der Gesammtstaatsverfassung Gefahr lief, als Anhängsel des Königreichs, als im Gesammtstaat verblieben, Dänemark immer ähnlicher gemacht und schließlich verschlungen zu werden. In der letzten Zeit ist die Rede davon gewesen, daß Abgeordnete des dänisch- schleswigschen Reichsraths und der holsteinischen Ständeversammlung noch einen Versuch machen sollen, .sich über eine gemeinschaftliche Verfassung auf Grund des Patents von 1855 zn verständigen. Die Sache scheint indeß aufgegeben, wol deshalb, weil man in Kopenhagen voraussetzen mußte, die Holsteincr würden erklären, der Reichsrath bestehe überhaupt nicht mehr zu Recht, eine Ansicht, die vollkommen begründet wäre. Denn die auf die ganze Monarchie berechnete Verfassung, der Reichsrath als Organ derselben und die auf diese Verfassung basirte gemeinsame Verwaltung müssen nothwendig so lange auf deu frühern Zustand zurückgeführt werden, als nicht auf ordnungsmäßigem Wege ein neues Verfassungs- und Verwaltungsrecht festgestellt ist. Ist die Verfassung für Holstein und Lauenburg ungiltig, so hat sie auch für Dänemark uud Schleswig ausgehört zu gelten. So erklären die Holsteiner, so wird, wie sogleich weiter ausgeführt werden soll, die Sache von der Majorität der schleswigschcn Stände betrachtet, und so wird sich endlich auch der Bundestag vernehmen lassen müssen.
Allerdings ist die Stellung des Bundestags in dieser Frage nicht völlig dieselbe im Verhältniß zu Schleswig wie im Verhältniß zu Holstein und Lauenburg. Als Deutschland den Schutz der Rechte Holsteins auf Schleswig mit den Waffen unternahm, war der Kampf nur in Bezug auf den König von Dänemark und Herzog von Schleswig ein Krieg; in Bezug auf den Herzog von Holstein und Lauenburg war er lediglich Buudesexecution. So konnte am Ende desselben auch nur mit dem König von Dänemark und Herzog von Schleswig Friede geschlossen werden, in Betreff Holsteins war das Uebereinkommen von 1852 eine Verständigung zwischen der Bundesgewalt und einem Bundesfürsten. Hieraus ergibt sich, daß die rücksichtlich Schleswigs abge-