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Die preußische Politik seit der Zusammenkunft von Baden.
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charakteristisch für die Methode der kaiserlichen Politik. Die Behendigkeit, mit welcher er sich auf den Standpunkt seiner Gegner von Teplitz stellt, und die naive Schlauheit, womit er über die Rechte der Völker und die Zustünde seines Landes spricht, sind schon auffallend genug; noch^mehr aber ist es die Beharr­lichkeit, mit welcher er Ansichten und Behauptungen wiederholt, von denen er sich gute Wirkungen verspricht. Fast genau dieselben Sätze hatte er, so oft es ihm dienlich schien, durch die Presse in Frankreich verkünden lassen, genau dasselbe hatte er, wie erzählt wird, in Unterredungen zu Baden immer wieder gesagt. Er ist so hartnäckig ehrlich und von so offener Treuherzigkeit, und doch will ihm die Welt gar nicht glauben. Die Wirkungen dieses Briefes, sind, so weit wir darüber urtheilen können, nicht bedeutend gewesen. Man fährt in England fort zu rüsten; man betrachtet dort den Brief nur als ein Zeichen, daß Napoleon vorläufig für nöthig hält. Frieden in Europa zu halten. Die langsame Annäherung an Deutschland dauert trotz kleiner Gegen­strömungen im Ganzen fort. Und eine Vereinigung mit Preußen steht im­mer noch in sicherer Aussicht, wenn für deutsche Interessen ein Krieg geführt werden muß.

Jeder Rückblick auf die Geschichte des letzten Jahres zeigt, wie sehr die Bedeutung Preußens für die europäische Politik gestiegen ist. Derselbe Staat, der noch vor zwei Jahren in dem Rath der Mächte fast gar nicht mitzählte, ist durch einige besonnene Acte seiner Regierung für den Augenblick fast der wichtigste der fünf großen Staaten geworden, sein erstes entschlossenes Ein­greifen in die schwebenden Processe Europas hat die Sachlage wie mit einem Schlage geändert, die Intriguen Frankreichs sind gekreuzt, seine Fortschritte aufgehalten, die unheimliche gewitterschwüle Stimmung, welche dadurch hervor­gebracht wurde, daß jede der Großmächte mißtrauisch und beobachtend den andern gegenüber stand, scheint ihrem Ende nahe, die erste Bürgschaft für den Frieden Europas, Allianzen der Majorität bereiten sich vor; das berliner Ca- binet ist vom Auslande respectirt, wetteifernd ist die Presse bemüht, die Politik der ehrlichen Leute" zu rühmen, dem Prinzregent kommen nicht nur die Aufmerksamkeiten seiner Mitsouveräne von allen Seiten entgegen, er wird auch fast in ganz Europa wie ein neu aufgehender Stern besprochen, er ist grade jetzt vielleicht der populärste aller Souveräne.

Und sieht man näher zu, so ist auch bis nach den Tagen von Tep­litz im Ganzen das Richtige und Gute geschehn, was den höchsten Interessen des Staates, welchen wir im Herzen tragen, unter den ge­gebenen Verhältnissen am besten entspricht. Es ist wahr, Preußen hat in dieser Zusammenkunft den guten Willen ausgesprochen, für gewisse Eventualitäten sein Geld und Blut zum Vortheile Oestreichs daran zu sehen, aber es hat dies mit großer Vorsicht gethan, und sich wol gehütet,