15«
fast 9 Procent abgenommen und zwar ausschließlich in den ältern Provinzen. Es sind in dieser Zeit gegen zwanzigtausend gewcrbtreibende Familien verschwunden, und statt ihrer Producte verbraucht die vermehrte Bevölkerung nun von andern herbeigeführte Waaren. Es ist dies eine Folge davon, daß die im Innern der Orte zunftmäßig und burcaukratisch geschützten, aber zugleich bevormundeten und an freier Entwicklung verhinderten Handwerker die Concurrenz von auswärts nicht zu bestehen vermögen, welche man nicht abwenden kann, die vielmehr bei dem durch die Eisenbahnen und den Zollverein erleichterten Verkehr täglich mächtiger wird.
Noch länger ist der Zopf, der den Handwerker mit seiner Schwere an den Boden fesselt, in Hannover. Auch hier Zünfte und Concessionen. Die Gewerbeordnung von 1847 beschränkte wenigstens einige Mißbrüuche. Das Jahr 1848 diente hier nur dem Vorurtheil und dem Eigennutz, es ließ die alten Verhältnisse auf Verlangen der kurzsichtigen Gewerbtreibendcn selbst bestehen. 1857 endlich brachte die Regierung eine neue Gewerbeordnung an den Landtag, dieselbe lief aber nur auf Erweiterung der Polizeigewalt hinaus, und so vereinigten sich alle betheiligtcn Stimmen zur Verwerfung des Plans, und die Zustände blieben, wie sie gewesen. Die Behörden können nach dem „Bedürfnisse", über dessen Vorhandensein nur sie entscheiden, für zünftige Gewerbe Concessionen ertheilen; nur die gewöhnlichen häuslichen Beschäftigungen gelten als frei. Um Lehrling werden zu können, muß man einen Consir- mationsschein besitzen. Besondere Vorschriften richten sich gegen die Ausschweifungen der Gesellen, zu denen ihre Verheiratung gerechnet wird (!). Um Meister zu werden, muß man fünf Jahre lang Gesell und davon zwei auf der Wanderschaft gewesen sein. Gewisse Strafen ziehen den Verlust des Meisterrechts nach sich u. s. w. So ist nach den Begriffen der Zunftfreunde und der Bureaukraten hier aufs Beste für das Gewerbswesen gesorgt. Aber der Erfolg? Das hannöversche Handwerkerthum befindet sich auf der niedrigsten Stufe, es hat weder die innere Ausbildung noch die äußere Ausdehnung erlangt, wie in Preußen, die Gewerbtreibenden sind großenthcils in ärmlichen Verhältnissen, ihre Erzeugnisse sind weder qualitativ noch quantitativ bedeutend, Fabriken, die eine Wohlthat für das Land werden könnten, fehlen fust gänzlich.
Im Hinblick auf diese und andere Umstände hat sich nun in den letzten Jahren in Deutschland die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit nicht nur einer Reform der Gesetzgebung in den Einzelstaaten, sondern der gemeinsamen Ordnung der Gewerbe- und Heimathsrechtsverhältnisse aller oder wenigstens der vom Zollverein umschloßnen Länder Bahn gebrochen, verbreitet und immer mehr befestigt. Der volkswirtschaftliche Kongreß hat sich wiederholt für Einführung der Gewerbefreiheit ausgesprochen und ähnlich