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die wahren Interessen des Landes, die von dem aufgeklärten Theil des Adels, von allen ernsten und ehrlichen Gemüthern Rußlands und von der russischen Presse verfochten werden, welche letztere in den fünf Jahren seit dem Tode des Kaisers Nikolaus dem Lande sehr bedeutende Dienste geleistet hat. Dieser beklagenswerthe Zustand, dieser unablässige Kampf droht mit ernsten Gefahren. Sanct Petersburg, von seiner Gründung an ein Schauplatz von allerlei Ränken, ist jetzt voller davon als jemals: ohne Unterbrechung hemmen Fragen um Persönlichkeiten. Rivalitäten der Selbstsucht und vor Allem das Streben, sich auf unrechtmäßige Weise Geld zu machen, den Fortgang der vom Kaiser begonnenen Reformen. Die russische Regierung gleicht in diesem Augenblick vollkommen einem Schiff, welches dem Zufall überlassen, ohne feste Leitung, auf dem Ocean hinschwankt. Der Capitän hat die besten Absichten, aber die Steuerleute und Lootsen sind von einem unglaublichen Böotismus. Zwischen ihnen und den Passagieren des Fahrzeugs herrscht die tiefste Abneigung. Dennoch kann sich der Capitän nicht entschließen, sie durch fähigere Führer zu ersetzen; er scheint sie anssterben lassen zu wollen, aber uuterdeß kann das Schiff auf die Klippen stoßen, denen es sich täglich mehr nähert.
Ein paar Beispiele werden zeigen, wie die politische Polizei auch unter Alexander dem Zweiten noch schaltet. Im verflossenen Jahre erging von Petersburg ein Befehl, welcher den Studenten jede Kundgebung ihrer Gefühle gegenüber den Professoren untersagte. Da geschah es. daß an der Universität Kasan die Studirenden dem beliebten Professor Bulitsch nach dem Ende einer seiner Borlesungen Beifall klatschten. Der neue Curator der Hochschule, an Bildung Null, im übrigen Nückschrittsmann, grob gegen die Professoren, aber beliebt bei der Camarilla. erklärte diese Beifallsbezeugungen für einen Verstoß gegen die erwähnte Verordnung und relegirte infolge dessen acht von den Klatschern. Als darauf hin acht Professoren und gegen zweihundert Studenten die Universität verlassen zu wollen erklärten, wurden sechzig von den letztern verhaftet und nach verschiedenen Städten an der Grenze Sibiriens in die Verbannung geschickt.
Im Herbst 1859 schrieb ein auf Ordre des Oberbefehlshabers der kaiserlichen Garde ausgefertigtes geheimes Rundschreiben den Regimentscomman- danten in diesem Hcerestheil vor, die Correspondenz der Unterofficiere und Gemeinen zu überwachen (d. h. durch Oeffnung von Briefen Spionendienste zu thun) um die Verbreitung falscher Gerüchte zu hindern. „Die Herren Regimentscommandanten," hieß es in diesem unwürdigen Schreiben „haben sorgfältig die Correspondenz zu beaufsichtigen, welche die Unterofficiere und Soldaten mit ihren Freunden und Verwandten unterhalten, und sie haben die Herren Compagniechefs zu bedeuten, daß sie für alle falschen und unwahrscheinlichen Gerüchte verantwortlich sind, welche sich infolge solcher Briefe verbreiten. Die