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Russische Zustände. 2. : Die Aufhebung der Leibeigenschaft.
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Unternehmens, die Camarilla nnd die Bureaukratie wußten, was das bedeute, und so bewirkten sie, daß den Zeitungen untersagt wurde, die Angelegenheit von einem andern Standpunkt als dein der gezwungnen Arbeit zu betrachten. Dieses absurde Verbat, mehrmals aufgehoben, mehrmals erneuert, trug viel bei, den Fartgang der Sache zu hemmen.

Die Provinzialcomitös bestanden aus Gutsbesitzer», welche vom Adel ge­wählt waren. Es schien natürlich, wenigstens den Adeligen der betreffenden Provinz das Recht einzuräumen, den Berathungen ihrer Abgeordneten als Znhörcr beizuwohnen. Aber die Fnrcht vor der Öffentlichkeit ist in der Rück­schrittspartei so groß, daß die Sitzungen der Comites mit Ausnahme einiger wenigen, daß selbst die in den beiden Hauptstädten Moskau und Petersburg geheim gehalten wurden. DaT Ergebniß ließ sich voraussehen, die große Mehrzahl der Provinzialcomitks legte Anträge vor, die von dem Wunsche dictirt waren, das Werk der Emancipation scheitern zu sehen. Das Geheim­niß ließ sich selbstverständlich nicht bewahren. Der Verfasser erfuhr bei seinem Aufenthalte in Petersburg, Moskau uud Tula, daß nicht blos die Höherge­stellten, sondern auch die Masse des Publikums von allem, was in den Sitzungen vorgegangen, vortrefflich unterrichtet waren. Das Geheimniß hatte somit nur die doppelte Folge, die öffentliche Meinung aufzuregen und den Reactio­nären in den Comites zu gestatten, daß sie der öffentlichen Stimme gegenüber, die sich energisch gegen sie erklärte, bei ihren Ansichten beharrten.

Nachdem die Provinzialcomitäs mit ihren Arbeiten zu Ende gekommen, unterwarf die Regierung dieselben der Prüfung des obersten Emancipations- comites. Aber abgesehen von der hartnäckigen Abneigung der Majorität dieser Körperschaft gegen die Reform, fand sich unter den Mitgliedern derselben nicht einer, welcher auf dem Lande gewohnt hatte und die Zustände und Bedürfnisse der leibeignen Bevölkerung gründlich kannte. Der Regierung blieb nichts übrig, als eine neue Commission zu bilden, zusammengesetzt aus Kennern der Ver­hältnisse und in ihren Urtheilen controlirt von der öffentlichen Meinung und berathen von derselben in der Presse. Statt dessen schuf sie blos eine Re- dactionscommission, welche die Vorschläge der Provinzialcomite-s zusammen­stellen und begutachten sollte, sie dann aber dem Urtheil der bisherigen ober­sten Commission unterzubreiten angewiesen war. Diese neue Commission zerfiel in vier Abtheilungen: eine wirthschaftliche, eine richterliche, eine administrative und eine finanzielle. Oeffentlichkeit der Sitzungen fand auch hier nicht statt, und die Verhandlungen wurden nur denen mitgetheilt, welchen sie die Commis­sion lesen und beurtheilen zu lassen für gut hielt. Die Regierung konnte sich auch hier nur halb von den beklagenswerthen Ueberlieferungen der Bureau- kratie und des öffentlichen Geheimnisses losmachen. Die Censur ließ der Presse gelegentlich Lust, die Leibeigenschaftsfrage zu besprechen, und die Zeitungen

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