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Russische Zustände. 1. : Die Gerechtigkeitspflege. - Der Senat. - Die Verwaltung.
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Ein anderer dieser hohen Beamten, der die Gewohnheit hatte, zu sagen, daß er sich in seiner Verwaltung nicht im Mindesten an dieverdammten Gesetze" binde, wurde zwar nach elfjähriger Bekleidung seines Postens abge­setzt, aber nicht wegen der vielen Erpressungen, die er sich erlaubt, sondern weil er seiner Tochter gestattet, einen Act der Bigamie zu begehen.

Von einem der gegenwärtigen Generalgouverneure erzählt die Schrift, daß er im September vorigen Jahres die Befugniß erhielt, den Ungehorsam der Leibeignen gegen ihre Herren nach Belieben, ohne Rücksicht aus die vom Ge­setz gesteckten Grenzen, zu strafen. Ein anderer, der sonst ein rechtschaffener Mann und tapferer Militair, aber ohne Muth in bürgerlichen Angelegenheiten ist und von einem aller Civilisation seindlichen Unterbeamten geleitet wird, unterdrückte vor Kurzem ein Journal und schickte den Redacteur aus die Festung, einfach deshalb, weil das Blatt einen Artikel des bekannten Lelewel gebracht hatte. Der Aufsatz war vom harmlosesten Charakter, eine einfache archäologische Untersuchung ohne die entfernteste politische Anspielung, und er war überdies,mit dem Visum der Censur in die Druckerei geschickt worden.

Ein dritter Gcneralgouverneur ließ einen Kaufmann, der ihn in einer Sitzung des Stadtraths, dessen Mitglied er war, zu tadeln gewagt, zu sich kommen, sagte ihm Injurien und warf ihn in's Gefängniß. Der Mann be­klagte sich darüber beim Senat, der Behörde, die allein über die Gouverneure zu urtheilen hat. Der Senat verlangte vom Generalgouverneur eine Erklä­rung. Darüber ertheilte der Jnstizminister der Körperschaft einen scharfen Verweis, und der Chef der politischen Polizei forderte den beleidigten Kauf­mann vor sich und drohte ihm mit der Verbannung, wenn er der Sache noch weiter Folge gäbe und seine Klage nicht zurücknähme.

Die Gouverneure der Provinzen sind mit Negicrungsräthen umgeben, welche das Recht haben, wenn sie in ihrer Meinung von der seinigen abwei­chen, ihr Gutachten dem Justizrninistcr vorzulegen. Außerdem ist von dem Minister sür jede Provinz ein Procurator bestellt, welcher die Pflicht hat. die Handhabung des Gesetzes durch den Gouverneur und seine Räthe zu über­wachen. Aber wenn ein Procurator dem Gouverneur Opposition macht, so wird er zurückberufen und in eine andere Provinz versetzt, und die Rcgierungs- räthe sind meist Leute ohne Vermögen, die begierig sind, sich eins zu erwer­ben, sie kommen in eine Gegend, die sie nicht kennen, und sie wissen, daß der beste Weg, sich die Taschen zu füllen, der ist, dem Gouverneur in Allem zu Willen zu sein. Sie erheben eine regelmäßige Steuer von den Polizei­ministern der Städte (Gorodnitschyi) und den Verwaltern der Polizei in den Landdistrikten (Jspravnik), die bei diesen zwischen 1000 und 1500 Rubel, bei jenen, je nach der Größe und Bedeutung der Städte, bis 3000 Rubel zu be­tragen Pflegt, und mit welcher sich diese Herren bei der Unmöglichkeit allen